Vogelschutzgebiet Drömling
Größe [ha]: 12.259
Codierung: SPA0007
Landkreise und kreisfreie Städte: Bördekreis; Altmarkkreis Salzwedel
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde Flechtingen; Einheitsgemeinde Stadt Klötze; Einheitsgemeinde Stadt Oebisfelde-Weferlingen; Einheitsgemeinde Hansestadt Gardelegen
Gebietsbeschreibung
Das EU SPA „Vogelschutzgebiet Drömling", im Nordwesten des Landes Sachsen-Anhalt gelegen, umfasst eine Fläche von 12.259 ha. Es erstreckt sich von Calvörde entlang der Ohre und ihrer zuführenden Gräben nach Nordwesten. Bis Pieplockenburg bildet der Mittellandkanal die südliche Grenze des EU SPA, dann setzt sich das Schutzgebiet über diesen hinaus bis zum Landgraben bzw. der Bahnlinie bei Bösdorf und weiter mit unregelmäßigem Grenzverlauf über Mannhausen, Bösdorf, Bergfriede und Breitenrode bis zur niedersächsischen Landesgrenze fort, die die Westgrenze des EU SPA in Sachsen-Anhalt bildet. Auch auf niedersächsischer Seite ist der Drömling als EU SPA ausgewiesen. Die West-Ost-Ausdehnung des Schutzgebietes beträgt in Sachsen-Anhalt ca. 27 km. Die Nordgrenze folgt dem Verlauf der Grabensysteme und ist daher stark aufgegliedert. Teilweise grenzt das EU SPA „Feldflur bei Kusey" direkt an. Bereits außerhalb des EU SPA befinden sich Mieste, Dannefeld, Köckte, Röwitz und Kunrau. Innerhalb des Schutzgebietes befinden sich Gehöfte und mit Buchhorst, Miesterhorst und Krügerhorst auch einige Siedlungen. Das EU SPA wird von der stark befahrenen Bundesstraße B188 sowie von der ICE-Trasse Hannover - Berlin durchquert.
Als Vogelschutzgebiet an die EU-Kommission gemeldet wurden einzelne Teile des Drömlings (südlicher Drömling/Ohre sowie nördlicher/Böckwitz-Jahrstedter/ Breitenroder-Oebisfelder Drömling) bereits 1992 (DORNBUSCH et al. 1996). Im Jahr 2000 wurde das EU SPA auf die heutige Flächengröße erweitert und als eine kompakte Fläche abgegrenzt. Drei FFH-Gebiete, die den nordwestlichen und südlichen Drömling sowie große Anteile des Grabensystems im übrigen Gebiet umfassen, befinden sich ganz bzw. zum größten Teil innerhalb des EU SPA. Nahezu zwei Drittel des EU SPA wurden durch das im Jahr 2005 verordnete NSG „Ohre-Drömling" landesrechtlich gesichert. Der Böckwitz-Jahrstedter und Breitenroder-Oebisfelder Drömling sowie die Bekassinenwiese sind als Totalreservate (Schutzzone I - Kernzone) ausgewiesen. Das EU SPA liegt außerdem nahezu vollständig innerhalb des Landschaftsschutzgebietes „Drömling" und des gleichnamigen, seit 1990 bestehenden, Naturparks. Die am 18.05.2010 verabschiedete Biodiversitätsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt sieht vor, mit der Umsetzung des Naturschutzgroßprojektes „Drömling“ die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Naturparks „Drömling" als Biosphärenreservat zu schaffen und eine UNESCO-Anerkennung anzustreben.
Naturräumlich betrachtet liegt das EU SPA im atlantisch geprägten Weser-Aller-Tiefland, wo es die Naturraum- und Landschaftseinheit Drömling bildet. Sehr kleine Flächenanteile entfallen im Nordosten auf die Klötzer Heide sowie am Südrand auf das Ostbraunschweigische Flachland. In der flachen Drömlingsniederung werden nur Höhen um 55-58 m über NN erreicht. Auch die umliegenden pleistozänen Hochflächen erheben sich nur 10-30 m höher aus der Landschaft. Über der beckenförmig liegenden, bis zu 30 m mächtigen Grundmoräne der Elster-Kaltzeit liegen dicke Schichten pleistozäner, in den Niederungen v. a. saale- und weichselkaltzeitlicher Talsande (SEELIG et al. 1996). Der Drömling war Teil des Breslau-Magdeburger Urstromtales. Zum Ende der Eiszeit bildete sich hier ein See, dessen Versumpfung und Verlandung noch in der Weichsel-Kaltzeit einsetzte. Durch Torfakkumulation entstand ein bis zu 2 m mächtiges großflächiges Niedermoor. Die durch Erosion entstanden Talsandinseln, die auch als Horste bezeichnet werden und das Gebiet zusätzlich strukturieren, waren von der Torfbildung ausgenommen (SEELIG et al. 1996). Die Drömlingsniederung ist durch ganzjährigen Wasserzufluss aus den Endmoränen der Altmarkheiden mit starken saisonalen Abflussschwankungen charakterisiert. Es herrschen daher grundwasserbeeinflusste Böden, wie Niedermoorböden, Gleye und Anmoorgleye vor. Im Drömling befindet sich eine Wasserscheide zwischen dem Einzugsgebiet der Elbe, in das die durchfließende Ohre und ihre Zuflüsse entwässern, und dem Einzugsgebiet der Weser, das im Gebiet durch die Aller und ihre Zuflüsse gespeist wird.
Bis ins 18. Jahrhundert war die Drömlingsniederung ein unzugängliches Sumpfgebiet. Infolge des geringen Gefälles der Region waren die Flüsse weit verzweigt und Hochwasser lief nur langsam ab. Auf den vernässten Böden entwickelten sich ausgedehnte Versumpfungsmoore mit Erlen- und Birkenbruchwäldern. Ab 1782 wurde auf Anweisung Friedrichs II. begonnen, das Gebiet zu entwässern und für die Landwirtschaft urbar zu machen. Nach diesen ersten Meliorationsmaßnahmen konnte Weide- und Grünlandnutzung betrieben werden. Durch den Ausbau und die Erweiterung bestehender Gräben, Wehre und Schleusen im 19. Jahrhundert sowie das Verbessern der Moordammkulturen erhielt der Drömling sein heutiges Aussehen mit dem engmaschigen System aus unzähligen Gräben, die das Wasser den größeren Gräben wie Friedrichskanal, Wilhelmskanal, Wallgraben, Flötgraben oder den Flüssen direkt zuführen. Entsprechend wird das Gebiet auch als „Land der 1.000 Gräben“ bezeichnet. Beim Bau des Mittellandkanals südlich des EU SPA in den 1930er Jahren wurden zahlreiche Einlassbauwerke integriert, damit Hochwasser aus dem Gebiet schneller abgeführt werden kann. Zudem wurden in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft die Vorfluter ausgebaut, Pumpwerke errichtet und breite Teichgräben angelegt. Das immer weiter ausgebaute Entwässerungssystem führte zufließendes Wasser schneller aus dem Gebiet ab, so dass es zum Ausgleich des Wasserdefizits im Sommerhalbjahr nicht mehr verfügbar war. In Verbindung mit Waldrodungen und intensiver Weide- und Ackernutzung führte die Melioration in den letzten 200 Jahren zum Austrocknen und Schrumpfen des Moorkörpers in weiten Teilen des Drömlings, weshalb die Niedermoordecke heute meist nur noch Mächtigkeiten von 30–80 cm aufweist (BRAUMANN 1993).
Derzeit werden etwa 27 % der Fläche des EU SPA, vor allem auf den randlich gelegenen Niederterrassen, als Ackerflächen genutzt, während in den zentralen Bereichen Grünlandnutzung dominiert. Neben intensiv genutzten, artenarmen Wiesen kommen auf den moorigen und anmoorigen Standorten Hochstaudenfluren, Seggenriede, Röhrichte und Feuchtwiesen vor. Die strukturierten Wiesenflächen mit Gräben, begleitenden Gehölzreihen und Wegen bieten vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Diese Strukturierung ist sehr charakteristisch und prägend für das EU SPA. Die begleitenden Gehölzreihen sind dominiert von Erle, Pappel und Grauweide. Erlen-Bruchwälder sind nur noch kleinflächig zu finden, häufiger sind dagegen Traubenkirschen-Eschenwälder. Die Talsandinseln, welche aus den feuchteren Böden aufragen, sind mit Honiggras-Eichenwäldern oder seltener mit Schmielen-Rotbuchenwäldern bestockt. Auf Grund der großflächigen Rodungen im Zuge der Meliorationsmaßnahmen in den letzten Jahrhunderten sind jedoch nur noch wenige Gehölzkomplexe vorhanden.
Bedeutung als Vogelschutzgebiet
Charakteristisch für die Landschaft im Drömling sind die stark durch Grundwassereinflüsse geprägten Wälder sowie die von vielen Gräben durchzogenen Wiesen und Niederungen. Diese ausgesprochen abwechslungsreiche Landschaft zeichnet sich durch eine enorme tierische und pflanzliche Artenvielfalt aus.
Brutvögel
Der Drömling stellt für viele Vogelarten ein bedeutendes Brutgebiet dar und ist für 8 Brutvogelarten nach Anhang I der EU-VSchRL sogar eines der Top-5-Gebiete in Sachsen-Anhalt. Insgesamt 18 Arten des Anhang I der EU-VSchRL sowie 8 Arten der Rote-Liste-Kategorien 1 und 2 sind hier als Brutvögel vertreten.
Viele wertgebende Arten treten im Drömling mit weitaus höheren Beständen auf als in anderen Gebieten des Landes. Die Ausweisung von Kernzonen als Totalreservat kommt dem Schutz vieler Vogelarten zugute. Auf die von menschlichen Eingriffen unberührten Bereiche des Totalreservates konzentrieren sich daher bedeutende Brutbestände vieler gefährdeter Arten, wie Seeadler, Kranich, Wachtelkönig, Tüpfelsumpfhuhn, Wasserralle, Bekassine, Graugans, Krickente, Knäkente, Rohrschwirl, Schlagschwirl, Schilfrohrsänger und Karmingimpel (KRATZSCH & PATZAK 2010). Besonders die störungsempfindlichen Großvogelarten profitieren von der Kernzone. Insgesamt 11 Greifvogelarten konnten im Erfassungsjahr 2009 nachgewiesen werden, darunter mit Wespenbussard, Wiesenweihe, Rohrweihe, Rotmilan, Schwarzmilan und Seeadler sechs Arten des Anhang I der EU-VSchRL. Der Drömling stellt damit eines der bedeutendsten Brutgebiete für Greifvogelarten in Sachsen-Anhalt dar. Hervorzuheben sind dabei die hohen Bestände von Rot- und Schwarzmilan sowie das Vorkommen der Wiesenweihe, die ihren Verbreitungsschwerpunkt innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt im Altmarkkreis Salzwedel hat (FONGER 2007).
Im Jahr 2009 brüteten 14 Paare des Weißstorchs im Vogelschutzgebiet Drömling. Zusammen mit den Brutpaaren in den Randorten, die überwiegend im Drömling ihre Nahrung suchen, wird dieses Brutvorkommen als der letzte kompakte Brutbestand westlich der Elbe bezeichnet. Mit 46 BP im Jahr 2011 umfasst es knapp 10 % des Landesbestands. Vom Schwarzstorch, der früher regelmäßig im Gebiet brütete, gelangen in neuerer Zeit nur Brutzeitbeobachtungen (SEELIG et al. 1996, GNIELKA 2005). Auch ist der Drömling eines der wenigen Brutgebiete in Sachsen-Anhalt für die Sumpfohreule (SEELIG et al. 1996, KRATZSCH & PATZAK 2010). Der Kranich kommt aktuell mit mehr Brutpaaren vor, als im Standarddatenbogen aufgeführt sind. Bereits ARGE (2007) geben einen Bestand von 10 bis 14 BP an und 2009 konnten sogar 19 BP erfasst werden (KRATZSCH & PATZAK 2010).
Die vernässten Wiesen der Niederungslandschaft sind Lebensraum zahlreicher Wiesenvogelarten wie Wachtelkönig, Bekassine, Großer Brachvogel, Kiebitz, Braunkehlchen und Wiesenpieper. Im Vergleich zum Landesbestand treten Bekassine und Großer Brachvogel hier mit bedeutenden Beständen auf. Die Bestände des Wachtelkönigs unterliegen starken Schwankungen und liegen zwischen 0 und 9 Revieren (DORNBUSCH et al. 1996, WEBER et al. 2003, ARGE 2007, KRATZSCH & PATZAK 2010, SCHULZE 2010a). Viele Vogelarten siedeln auch im Bereich der Schilfröhrichte. Der Schilfrohrsänger kommt hier mit sehr hohen Beständen vor, womit der Drömling auch für diese Art eines der wichtigsten Brut gebiete Sachsen-Anhalts darstellt. Drosselrohrsänger, Rohrschwirl und Schlagschwirl treten hier ebenfalls in hoher Dichte auf. Im Totalreservat Böckwitz-Jahrstädter Drömling konnte 2009 das Tüpfelsumpfhuhn mit 3 Revieren festgestellt werden. Diese Art ist ein unregelmäßiger Brutvogel im Drömling (KRATZSCH & PATZAK 2010). Neben den Greifvogelarten bieten die Waldgebiete im Drömling auch einen Lebensraum für Grauspecht, Schwarzspecht und Mittelspecht sowie in den Randlagen für die Heidelerche. Der Bestand des Neuntöters hat im Drömling eine Dichte, die viermal so hoch wie der Landesdurchschnitt ist (KRATZSCH & PATZAK 2010).
Von den seltenen weniger gefährdeten Arten ist der Karmingimpel hervorzuheben, für den der Drömling das wichtigste Brutgebiet Sachsen-Anhalts darstellt. Laut FISCHER & DORNBUSCH (2008) ist der Drömling stetiger durch den Karmingimpel besiedelt als alle anderen Gebiete des Landes. Mit 7 BP, allesamt im Totalreservat, wird hier außerdem der landesweit höchste Bestand dieser Art erreicht (KRATZSCH & PATZAK 2010).
Rastvögel
Die weite Niederungslandschaft im Drömling hat als Rast- und Überwinterungsgebiet für eine Vielzahl von Watvögeln, Gänsen, Enten sowie für den Kranich eine große Bedeutung (SEELIG et al. 1996). Hier rasten alljährlich weit mehr als 20.000 Wasservögel. Für Saatgans, Kranich und Kiebitz stellt der Drömling ein Schlüsselgebiet dar, in dem zur Zugzeit mehr als 1 % der Flyway-Population rasten. Die maximal festgestellte Tageshöchstzahl von 22.000 Individuen der Saatgans liegt deutlich über der im Standarddatenbogen und bei WEBER et al. (2003) genannten Zahl. Auch für den Kiebitz sind mit maximal 25.000 Individuen aktuell höhere Rastbestände zu verzeichnen, als in den oben genannten Quellen angegeben. Bemerkenswert ist auch das Rastvorkommen des Goldregenpfeifers mit bis zu 6.400 Individuen. Im Standarddatenbogen wird sogar ein Rastbestand von mehr als 10.000 Individuen genannt. Der Rastbestand an Silberreihern ist ebenfalls erwähnenswert.
Links/Dokumente
Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei)
verändert nach: MAMMEN, K. & U.; DORNBUSCH, G.; FISCHER, S. (2013): Die Europäischen Vogelschutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt, Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 10/2013.
Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen (PDF, nicht barrierefrei)
Den Standarddatenbogen und die Meldekarte finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz.
Das Natura 2000-Gebiet ist durch das Landschaftsschutzgebiet "Drömling" bereits rechtlich gesichert.
Verordnung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt über das Landschaftsschutzgebiet "Drömling" (Amtsblatt Nr. 5 vom 18. Mai 2016)