Untere Havel und Schollener See
Größe [ha]: 4.555
Codierung: FFH0011
Landkreise und kreisfreie Städte: Stendal
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land; Einheitsgemeinde Hansestadt Havelberg
Gebietsbeschreibung
Das FFH-Gebiet umfasst den Schollener See im „Ländchen im Elbe-Havel-Winkel“ mit der angrenzenden Havelniederung und erstreckt sich bis Havelberg im „Rhin-Havel-Luch“. Der See entstand in einer Seitenbucht des Durchbruches der Elbe im Glogau-Baruther Haupttal zum Eberswalder-Berliner Haupttal. In der nicht mehr durchflossenen Einbuchtung setzten sich Schluffe und Tone ab, die das Becken nach unten abdichteten. Im Bereich des FFH-Gebietes befindet sich das NSG „Jederitzer Holz", das NSG „Schollener See" und das NSG „Stremel".
Lebensraumtypen und Flora
Im Schollener See mit einer mittleren Wassertiefe von etwa einem und einer maximalen Tiefe von etwas mehr als zwei Metern ist die Wasservegetation des FFH-LRT 3150 Eutrophe Seen (ca. 120 ha) wegen der hohen Trophie nur reliktisch ausgebildet. Hier siedelt u. a. das Große Nixkraut (Najas marina). Bemerkenswert ist das reiche Vorkommen der Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis) in den ausgedehnten, z. T. schwimmenden Röhrichten, die wesentlich aus Sumpffarn (Thelypteris palustris) aufgebaut werden. In Entwässerungsgräben sind Krebsschere (Stratiotes aloides) und Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) zu finden.
Im Trübengraben und weiteren Entwässerungsgräben konnte der FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (7 ha) nachgewiesen werden. Ihn kennzeichnen Berle (Berula erecta), Bachbunge (Veronica beccabunga), Sumpf-Wasserstern (Callitricha palustris agg.), Kamm-Laichkraut (Potamogeton pectinatus), Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia) und Einfacher Igelkolben (Sparganium emersum).
Auf Überschwemmungsstandorten siedelt der FFH-LRT 6440 Brenndolden-Auenwiesen (ca. 440 ha) in einer feuchten Ausbildung mit Zweizeiliger und Schlank-Segge (Carex disticha, C. acuta) und einer wechselfeuchten Ausbildung mit Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis). Typische Arten in den Wiesen sind Brenndolde (Cnidium dubium), Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum), Wasser-Greiskraut (Senecio aquaticus) sowie seltener vorkommend Sumpf-Platterbse (Lathyrus palustris) und Graben-Veilchen (Viola stagnina). Die Bestände des FFH-LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (318 ha) mit Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) und Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis) breiten sich auf weniger vom Hochwasser beeinflussten Standorten aus.
Wasserdost-Gesellschaften bilden im Gebiet den FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren (ca. 10 ha).
Die Weidenwälder an der Havel nehmen als FFH-LRT 91E0* Weichholzauenwälder (56 ha) bedeutendere Flächen ein. Sie werden aus Silber- und Fahlweide (Salix alba, S. x rubens) aufgebaut und sind mit Strauchweidenbeständen aus Korb- und Mandel-Weide (Salix viminalis, S. triandra) vermischt. Die Krautschicht bilden verbreitete Arten der nitrophilen Uferfluren, Röhrichte und Seggenriede.
Am südliche Ufer des Schollener Sees ist der FFH-LRT 91E0* Erlen-Eschenwald (4 ha) mit Beständen aus Winkel-Segge (Carex remota) entwickelt.
Weiterhin kommen die FFH-LRT 91F0 Hartholzauenwälder (8 ha), 9190 Eichenwälder auf Sandebenen (11 ha) und 91D0 *Moorwälder (4 ha) vor.
Offene Moorflächen oligo- bis mesotroph-saurer Standorte sind dem FFH-LRT 7140 Übergangs- und Schwingrasenmoore (1 ha) zuzuordnen. Im Gebiet kommt das Sumpf-Glanzkraut (Liparis loeselii) als Art nach Anhang II der FFH-Richtlinie vor.
Fauna
Biber (Castor fiber) und Fischotter (Lutra lutra) finden sehr gut geeignete Lebensräume vor.
Die Vielfalt verschiedener Strukturen bildet in Verbindung mit den zahlreich vorhandenen Gewässern die Voraussetzung für das Vorkommen einer reichen Fledermausfauna. Hier finden sowohl Arten, die im freien Luftraum jagen, wie der Großer Abendsegler (Nyctalus noctula), als auch strukturgebunden jagende Arten, wie die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) und das Großes Mausohr (Myotis myotis), gut ausgestattete Jagdhabitate. Die kleinflächig ausgebildeten Laubwaldbereiche besitzen Quartierpotenzial für Mops- und Rauhautfledermaus (Barbastella barbastellus, Pipistrellus nathusii) sowie den Großen Abendsegler (Nyctalus noctula). Ältere Nachweise der Teichfledermaus (Myotis dasycneme) konnten aktuell nicht bestätigt werden.
Kammmolch (Triturus cristatus), Moor-, See- und Kleiner Wasserfrosch (Rana arvalis, R.ridibunda, R. lessonae) sowie Rotbauchunke (Bombina bombina) werden im Gebiet regelmäßig nachgewiesen.
Die Fischfauna wird von Arten der Elbe geprägt. Einzelne Fänge des Rapfens (Aspius aspius) in der Havel zeigen, dass das Vorkommen dieser Fischart nicht nur auf den Mündungsbereich der Havel beschränkt ist, sondern auch weiter stromaufwärts zu verzeichnen ist. Das Gleiche trifft wohl ebenso für den Steinbeißer (Cobitis taenia) zu, der beispielsweise auch im Grützer Vorfluter lebt (Fangstatistik LHW). In derartigen flachen, sommerwarmen Gewässern der Havelaue und im Schollener See findet sich der Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis) (Fangstatistik LHW). Sofern Teichmuscheln (Anodonta anatina) in den Altwässern leben können, tritt dort auch der Bitterling (Rhodeus amarus) auf.
Die Vorkommen von Großem Feuerfalter (Lycaena dispar) und Heldbock (Cerambyx cerdo) sind nicht mehr existent. Für den Heldbock sind keine Brutbäume vorhanden. Auch die Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis) wurde im Jahre 2002 letztmalig nachgewiesen und gilt als verschollen.
Im Umfeld des Schollener Sees konnte die Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior) gefunden werden.
Für Vögel hat das Gebiet ganzjährig eine herausragende Bedeutung als Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet. Es ist Teil eines EU SPA und eines in das Land Brandenburg übergreifenden Feuchtgebietes von internationaler Bedeutung (Ramsar-Gebiet). Gemessen an den Gesamtbrutbeständen des Landes findet man hier eines der bedeutendsten Brutgebiete für Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus), Blaukehlchen (Luscinia svecica), Rotschenkel (Tringa totanus), Flussseeschwalbe (Sterna hirundo), Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger), Lachmöwe (Larus ridibundus), Rothalstaucher (Podiceps grisegena) und Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis). Vorkommensschwerpunkte dieser Arten sind dabei der Schollener See, der Stremel sowie der Bereich der Aderlanke bei Havelberg. In flach überstauten Großseggenbeständen südöstlich von Havelberg gelangen seit dem Jahr 2007 die ersten Brutnachweise von Weißbartseeschwalben (Chlidonias hybrida) und Weißflügelseeschwalben (Chlidonias leucopterus) für das Land Sachsen-Anhalt. Ungestörte Bereiche sind Bruthabitat vom Seeadler (Haliaeetus albicilla) und von mehreren Kranichpaaren (Grus grus). Größere Schilfflächen und von Schilf bestandene Gräben werden u. a. von Knäkente (Anas querquedula) und vielen weiteren Entenvogelarten, Großer Rohrdommel (Botaurus stellaris), Rohrweihe (Circus aeruginosus), Rohrschwirl (Locustella luscinioides) und Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus) bewohnt. Die Graugans (Anser anser) kommt in bemerkenswert hoher Brutdichte vor. Unregelmäßige Brutvögel der Gewässer sind auch Zwergdommel (Ixobrychus minutus) und Tüpfelsumpfhuhn (Porzana porzana).
Erlen- und Weidenbruchwälder sowie versumpfte Wiesenbereiche sind Lebensraum der Bekassine (Gallinago gallinago). Als Wiesenbrüter treten u. a. auch Kiebitz (Vanellus vanellus), Großer Brachvogel (Numenius arquata) und Wachtelkönig (Crex crex) auf.
In den Überflutungsbereichen der Havel rasten auf dem Frühjahrszug hervorzuhebende Ansammlungen zahlreicher Tauch- und Schwimmentenarten, darunter Spießente (Anas acuta) und Löffelente (Anas clypeata) mit international bedeutsamen Beständen. Der Schollener See und das Gebiet des Stremels sind im Sommer und Herbst wichtige Sammel- und Rastplätze der Graugans. Im Herbst und im Winter verweilen hier auch Tausende Saat- (Anser fabalis) und Blässgänse (Anser albifrons) sowie Kraniche. Seit einigen Jahren sind besonders hohen Zahlen rastender Weißwangengänse (Branta leucopsis) bekannt. Das Gebiet stellt zudem eines der herausragenden Überwinterungs- bzw. Rastplätze von Sing- und Zwergschwänen (Cygnus cygnus, C. bewickii) in Sachsen-Anhalt dar. Eine hohe Bedeutung besteht ebenso für überwinternde Kornweihen (Circus cyaneus) und Sumpfohreulen (Asio flammeus). Zu den Zugzeiten halten sich in den Niederungen der Unteren Havel mitunter mehrere Hundert Kampfläufer (Philomachus pugnax) und Bruchwasserläufer (Tringa glareola) sowie mehrere Tausend Kiebitze und Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria) auf.
Links/Dokumente
Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei): 40, 142, 143, 203, 207, 212, 264, 279, 333, 342, 361, 407, 464, 483, 500, 515, 557, 558, 565
verändert nach: Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten
Hauptteil (N2000-LVO LSA) (PDF, nicht barrierefrei)
Gebietsbezogene Anlage (N2000-LVO) (PDF, nicht barrierefrei)
Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen (PDF, nicht barrierefrei)
Den Standarddatenbogen und die Meldekarte finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz.