Rotbauchunke (Bombina bombina)
Beschreibung
Die Rotbauchunke ist ein kleiner, warziger Froschlurch aus der Familie Discoglossidae (Scheibenzüngler) mit abgeflachtem Körper und charakteristischer schwarzer oder schiefergrauer Unterseite mit roten oder orangeroten Flecken und weißen Punkten. Die Rückenseite ist bräunlich oder grünlich oder braun mit grünen Flecken.
Biologie und Ökologie
Als Laichgewässer werden stehende, sonnenexponierte Flachgewässer mit reichem Makrophytenbestand bevorzugt. In der Regel handelt es sich hierbei um Kleingewässer der offenen Agrarlandschaft wie Sölle, überschwemmtes Grünland, ehemalige Abgrabungsgewässer und Flachwasserbereiche von Seen u.a. Entlang der Elbe werden sowohl Überschwemmungsflächen des Deichvorlandes als auch Qualmgewässer des Deichhinterlandes besiedelt. In Sachsen-Anhalt liegt der Schwerpunkt der Besiedlung nicht selten in außerdeichs gelegenen Flächen, welche dem direkten Einfluss von Hochwasserereignissen unterliegen. Die Rotbauchunke ist somit in Sachsen-Anhalt eine besonders typische „Auenart”. Die Laichzeit beginnt in der Regel im April, bei günstigen Witterungsverhältnissen auch bereits im März, und erstreckt sich bis in den Juli hinein. Die Laichabgabe erfolgt in Schüben von jeweils etwa 10 – 40 Eiern, wobei der Laich in lockeren Klümpchen an Pflanzenteile in geringer Wassertiefe geheftet wird. Die gesamte Fortpflanzungszeit kann, stark von der Witterung beeinflusst, in mehrere getrennte Ruf- und Laichperioden gegliedert sein. Die Larvalentwicklung dauert 5 – 12 Wochen, so dass die ersten metamorphosierten Jungtiere in günstigen Jahren bereits im Juni auftreten können.
Verbreitung
Die Rotbauchunke ist eine Art mit einem östlichen, ausgedehnt europäisch-kontinentalen Verbreitungsgebiet (GOLLMANN et al. 1997). Die nördliche Arealgrenze verläuft über Ost-Dänemark, Süd-Schweden, entlang der polnischen Ostseeküste, weiter über das südliche Lettland und östlich nach Russland bis an den Ural (östliche Arealgrenze). In der pontischen Region ist die Rotbauchunke in weiten Teilen nördlich des Schwarzen Meeres verbreitet. Die südliche und südwestliche Arealgrenze verläuft über Nordwestanatolien und das nordöstliche Griechenland und folgt der Donauniederung bis in das ungarische Tiefland. In Mitteleuropa ist sie westlich bis Niederösterreich, Böhmen und Deutschland verbreitet, wo die westliche Arealgrenze erreicht wird. Die niedersächsischen und ostholsteinischen Vorkommen sowie jene der dänischen Inseln bilden heute die westlichsten Arealvorposten der Rotbauchunke in Europa. Die westliche Arealgrenze der Art verläuft durch Deutschland, woraus eine besonders hohe Verantwortung zur Erhaltung der Art innerhalb der EU resultiert. In Niedersachsen im Einzugsbereich der Elbe sowie im nordöstlichen Schleswig-Holstein existieren noch wenige Vorkommen, im nordostdeutschen Tiefland noch eine relativ dichte Verbreitung (GÜNTHER & SCHNEEWEIß 1996). In Sachsen liegt eine teilweise anthropogen geprägte Ausbreitung durch die Teichwirtschaften der Oberlausitz vor, wo der heutige sächsische Verbreitungsschwerpunkt der Art liegen dürfte. Der höchste deutsche Fundpunkt liegt mit 300 m ü. NN bei Bischofswerda (Sachsen).
Bestandssituation in Sachsen-Anhalt
Die Verbreitung der Rotbauchunke konzentriert sich auf die Flusstäler und Niederungslandschaften (89,5 %), insbesondere dem Elbtal, das als Naturraum nach wie vor die westliche Grenze des Gesamtareals bildet, gefolgt von den Landschaften am Südrand des Tieflandes (7,9 %) und den Ackerebenen (2,5 %). Die zahlenmäßig stärksten Vorkommen wurden bei Schartau und Hohengöhren, also im Tangermünder Elbtal, festgestellt. Weitere größere Rufergemeinschaften wurden in der Werbener Elbaue bzw. dem Rhin-Havel-Luch, wie u.a. Sandau und Havelberg, sowie im Dessauer Elbtal, wie z.B. bei Niegripp, Buro und im Park Luisium bei Dessau, erfasst. Starke Rückgänge sind bei Wittenberg, Coswig, Schönebeck und Magdeburg, wie auch westlich der Elbe (Köthener Ackerland, Börde, Bodeniederung) sowie in den Flussniederungen der Saale, Mulde und Weißen Elster zu verzeichnen. Im Halleschen Ackerland ist die Art ausgestorben (BUSCHENDORF 1996). An der Saale befinden sich Restvorkommen bei Calbe und Nienburg sowie eine Reliktpopulation in der Elster-Luppe-Aue bei Merseburg. Individuenarme Restvorkommen existieren im Roßlau-Wittenberger Vorfläming.
Gefährdung und Schutz
Die Rotbauchunke zählt zu den gefährdetsten Amphibienarten Mitteleuropas. Sie ist aktuell an der Westgrenze vermutlich weitaus stärker gefährdet als im Zentrum und Osten ihres Areals. Als hauptsächliche Gefährdungsursachen sind zu nennen:
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Habitatverlust oder -devastierung durch Entwässerung und vollständige Vernichtung von Feuchtgebieten und Kleingewässern
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Intensive Landwirtschaft, insbesondere im Landlebensraum, Überweidung, Umwandlung von Grünland in Acker
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Wasserbauliche Maßnahmen und großflächige Grundwasserabsenkungen; damit verbundene Austrocknung der Auenlebensräume, Verlust von Überflutungsflächen
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Intensive fischereiliche und angelsportliche Nutzung der Laichgewässer (Prädationsdruck auf Larven durch Besatz)
- bei geringem Wasserstand verstärktes Auftreten tierischer Prädatoren (z.B. Graureiher, Weißstörche) infolge der leichten Erreichbarkeit der Amphibienlarven
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Verinselung der Populationen durch Habitatfragmentierung. Isolationseffekte erhöhen Aussterberisiko, insbesondere an der westlichen Arealgrenze
Die Schutzmaßnahmen müssen geeignet sein, einer weiter voranschreitenden Arealregression Einhalt zu gebieten. Bei weiterer Stärkung der „Kern”-Vorkommen sind die peripheren Populationen in ihrem Bestand zu sichern und zu fördern sowie die Besiedlung verwaister Gebiete zu reaktivieren. Ein umfangreicher Komplex konkreter Maßnahmen zum Schutz der Rotbauchunke in Sachsen-Anhalt und zur Aufhaltung ihres Rückganges ist in einem Artenhilfsprogramm des Landes Sachsen-Anhalt (Sy & Meyer 2004) verankert, für dessen Umsetzung es jedoch eine größere Akzeptanz der Flächennutzer bedarf. Folgende Maßnahmenkomplexe sind aus Sicht des Artenhilfsprogramms "Rotbauchunke" erforderlich:
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Artenschutzverträgliche Grünlandnutzung, d.h. extensive Landbewirtschaftung in Verbreitungszentren, Ausweisung von Uferrandstreifen mit Verbot von Ackernutzung sowie Dünger- und Pflanzenschutzmittelanwendung; regulierte (sporadische) Beweidung im Überflutungsbereich außerhalb der Laichzeit
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Schutzverträgliche Regelung der Angelnutzung und des Fischbesatzes
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Schonende Gewässer- und Deichunterhaltungsmaßnahmen
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Rückbau von Entwässerungsanlagen, Sicherung von Retentionsflächen, Schaffung flach überstauter Grünländer und reich strukturierter Agrarlandschaften
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Neuanlage und Sanierung von Kleingewässern im Sinne der Biotopvernetzung
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Verhinderung von Geflügelhaltung sowie Freizeitsport an Laichgewässern
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Großräumige Sicherung und Optimierung der Morpho- und Abflussdynamik der Stromlandschaften, insbesondere der Elbe
- Stabilisierung und naturschutzrechtliche Sicherung der aktuellen Vorkommen durch Ausweisung von Schutzgebieten in Verbreitungszentren
Rote Liste Deutschland: 2 – Stark gefährdet (Stand 2009)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: 2 – Stark gefährdet (Stand 2004)
Literatur/Links
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2001): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 152 S.
Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Heft 04/2015): Die Lurche und Kriechtiere des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichtigung der Arten der Anhänge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der Fauna-Flora-Habitat-Lebensraumtypen. Halle (Saale). 640 S.