Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide
Größe [ha]: 20.397
Codierung: SPA 0012
Landkreise und kreisfreie Städte: Börde; Altmarkkreis Salzwedel; Stendal
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde Elbe-Heide; Einheitsgemeinde Hansestadt Stendal; Einheitsgemeinde Niedere Börde; Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte; Einheitsgemeinde Hansestadt Gardelegen; Einheitsgemeinde Stadt Haldensleben
Gebietsbeschreibung
Nördlich von Magdeburg befindet sich das EU SPA „Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide", das mit einer Fläche von 20.397 ha das größte Vogelschutzgebiet Sachsen-Anhalts ist. Die Ortschaften Born, Letzlingen, Jävenitz, Uchtspringe, Dolle, Colbitz und Hillersleben umgrenzen das Gebiet. Das EU SPA umfasst mit dem Truppenübungsplatz Altmark eines der größten aktiven Militärgelände Deutschlands und dessen Umfeld sowie weitere angrenzende wertvolle Habitatkomplexe, darunter das „Jävenitzer Moor" und den „Colbitzer Lindenwald", beide auch als NSG ausgewiesen. Die zum Truppenübungsplatz gehörenden bebauten Bereiche sind nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes.
Der Südteil des EU SPA wurde auf ca. 4.000 ha unter dem Namen Hudewälder nordöstlich Haldensleben bereits im Jahr 2000 als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Mit Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2003 wurden umfangreiche Flächenerweiterungen vorgenommen und das Gebiet erhielt die Bezeichnung „Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide". Das gesamte EU SPA ist, verteilt auf drei separat ausgewiesene Gebiete, auch FFH-Gebiet.
Naturräumlich gehört die Colbitz-Letzlinger Heide zur Landschaftseinheit Altmarkheiden in der Haupteinheit Wendland und Altmark. Im Norden Sachsen-Anhalts gelegen ist das Gebiet durch eine pleistozäne Entwicklung geprägt. Es finden sich mehrere Endmoränen mit dazwischen liegenden Sanden oder Geschiebemergel. Im Norden des EU SPA haben sich Dünen gebildet. Die Höhenzüge der Endmoränen erreichen im Südosten des Gebietes eine Höhe von bis zu 131 m über NN. Die sandigen Böden begünstigen das schnelle Versickern von Wasser und tragen dazu bei, dass sehr wenige Oberächengewässer vorhanden sind. Teilweise bilden sich in verdichteten Fahrrinnen temporäre Kleingewässer. Weitere temporäre Gewässer bilden sich nach Starkregen im Tal des Dollgrabens, der jedoch die meiste Zeit des Jahres trocken liegt. Der Rehbuschgraben ist der zweite größere Graben des Gebietes und entwässert das Jävenitzer Moor (SCHÄFER et al. 2006).
Die militärische Erschließung der dünn besiedelten Region begann in den 1930er Jahren. Mehrere in der Heide liegende Dörfer wurden dabei geräumt bzw. abgerissen und es erfolgte ein erster Kahlschlag von ca. 2.400 ha. Während der Zeit des Dritten Reiches diente das Gebiet vor allem zur Erprobung von Artillerie- und Panzerabwehrwaffen. Nach 1945 übernahm die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte das Gelände und nutzte es bis 1994 als Truppenübungsplatz, Waffen und Munitionstestgelände. Während dieser Zeit wurde der größte Teil des noch vorhandenen Waldbestandes im Inneren des Truppenübungsplatzes abgeholzt. 1994 übernahm die Bundeswehr das Areal, beräumte es von Restmunition und errichtete hier den Truppenübungsplatz Altmark mit dem Gefechtsübungszentrum Heer. Dieses ist eines der modernsten Übungszentren weltweit, was einen intensiven Übungsbetrieb mit einer Auslastung von ca. 250 Übungstagen pro Jahr zur Folge hat.
Infolge der langjährigen militärischen Nutzung dominieren im Zentrum der Heide heute weitläufige Offenlandbereiche. Auf Grund der sandigen Böden finden sich hier typische Pflanzen der Heideflächen und Trockenrasen. Thermophile und trockenheitsresistente Wälder auf nährstoffarmen Standorten wie Birken-Stieleichenwälder stellen die natürliche Waldvegetation dar. Die natürliche Sukzession durch Birken, Kiefern und Aspen verdrängt zunehmend die Offenstandorte und führt über Pionierwälder zu einer natürlichen Waldvergesellschaftung. Frühere Brandrodung und militärische Nutzungen wirkten diesem Aufwuchs entgegen. Im Süden des Gebietes bei Paxförde finden sich aber auch alte, naturschutzfachlich wertvolle Eichenbestände (alte Hudewaldreste) und lindenreiche Traubeneichen-Hainbuchenwälder (NSG „Colbitzer Lindenwald"). Meist wurden naturnahe Wälder allerdings in naturferne Kiefernforste umgewandelt.
In den Heiden sind je nach Bodenbeschaffenheit auf armen, podsolierten Böden Heidekraut oder auf nährstoffreicheren Böden Ginster vorherrschend. Die Dünen sind durch Kiefern- und Birkenaufwuchs sowie Silbergrasfluren charakterisiert. Diese Pioniergesellschaft besiedelt ebenfalls die ehemals militärisch genutzten Offenlandbereiche. Kennzeichnende Arten dieser Gesellschaft sind Silbergras und Frühlings-Spark, weiterhin kommen hier die Ästige Graslilie und der gefährdete Keulen-Bärlapp vor. Neben den Mager- und Trockenstandorten kommen im zentralen Bereich des EU SPA außerdem Hochstaudenfluren vor, die mehr oder weniger regelmäßig gemäht werden. Westlich von Dolle im Quellbereich des Dollgrabens befinden sich kleinflächige Grünlandbereiche und alte Eichenwälder.
Eine Besonderheit im Norden des EU SPA ist das Jävenitzer Moor. Das Durchströmungsmoor wird von 5 Quellen gespeist und weist mittlerweile wieder eine sehr vielfältige Vegetation auf. In den Verlandungszonen kommen der stark gefährdete Blassgelbe Wasserschlauch und der Rundblättrige Sonnentau vor. Torfmoose, Wollgras, Schnabelried und verschiedene Seggen- und Binsenarten vervollständigen das charakteristische Bild des Moores. In den Randbereichen stocken pfeifengrasreiche Birkenmoorwälder oder Kiefernbestände mit Sumpfporst.
Das Vorkommen von sowohl sehr trockenen, warmen als auch feuchten, moorigen Standorten macht die Colbitz-Letzlinger Heide zu einem Rückzugsraum für viele verschiedene Tierarten.
Bedeutung als Vogelschutzgebiet
Das EU SPA „Colbitz-Letzlinger Heide" umfasst einen großräumigen, durch anhaltende militärische Nutzung geprägten Landschaftsausschnitt im Norden Sachsen-Anhalts, der für Brutvogelarten des Offen- und Halboffenlandes, junger Vorwaldstadien und alter Waldbestände gleichermaßen hervorragende Habitatbedingungen bietet und Populationen landesweiter Bedeutung beherbergt.
Brutvögel
Eine große Besonderheit in der Colbitz-Letzlinger Heide ist das inzwischen möglicherweise erloschene Vorkommen des Birkhuhns (SCHÄFER & KNÜPPEL 2008). Während der Erfassungen konnte 2005 noch eine Birkhenne nachgewiesen werden (SCHÄFER et al. 2006). Auch für die vorherigen Jahre liegen regelmäßige Beobachtungen von Einzeltieren vor (SCHÄFER et al. 2006). In den 1990er Jahren war das Birkhuhn noch weiter verbreitet, bevor es einen starken Bestandsrückgang hinnehmen musste (BRACKHAHN 1993, SODEIKAT & KNÜPPEL 1997, DORNBUSCH 2002).
Eine sehr häufige Anhang I-Art des EU SPA „Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide" ist der Ziegenmelker mit einem Bestand von 500 BP, was einem Anteil von mehr als 40 % am Landesbestand entspricht. Besonders die lichten mit Birken bestandenen Vorwaldstadien der Heide und Grasfluren werden von dieser Art bewohnt (SCHÄFER et al. 2006). Aktuell zeichnen sich allerdings Rückgänge ab, da die Vorwaldstadien durch Pflegemaßnahmen stark zurückgedrängt werden (B. Schäfer, pers. Mitt.).
In den Hudewäldern leben Grauspecht, Schwarzspecht und Mittelspecht. Letzterer besiedelt überwiegend die Eichenalthölzer (SCHÄFER et al. 2006). Für den Mittelspecht ist das EU SPA eines der Top-5-Gebiete Sachsen-Anhalts. Greifvogelarten des EU SPA sind Wespenbussard, Rotmilan und Schwarzmilan. Dabei ist der Bestand des Wespenbussards mit 7 BP als besonders bemerkenswert hervorzuheben. Die Landeserfassung des Raufußkauzes ergab einen Bestand von 2 BP (PSCHORN 2011a). Auch ältere Vorkommen dieser kleinen Eulenart sind aus der Colbitz-Letzlinger Heide bekannt (LEINEN & ROGGENBACH 1999, FISCHER & DORNBUSCH 2004, 2005, SCHÄFER et al. 2006). Der Wiedehopf bewohnt Heideflächen in der Nähe von Gehölzinseln und Waldrändern. Mit Hilfe eines im Jahre 2007 begonnenen Nistkastenprojektes konnte Schäfer im Jahr 2009 den Wiedehopf mit 25 bis 28 Revieren nachweisen, darunter mindestens 20 sichere Brutnachweise (FISCHER & DORNBUSCH 2010b). 2010 waren es bereits 28 bis 30 Reviere (FISCHER & DORNBUSCH 2011). Somit haben sich die Bestände im Gegensatz zum Erfassungsjahr 2005, als nur 7 Reviere nachgewiesen werden konnten, deutlich erhöht und stiegen auch 2011 und 2012 weiter an. Nur vor 2001 waren solch hohe Bestandszahlen bekannt (BRACKHAHN 1993, SCHÄFER et al. 2006).
Halboffene mit Ginster durchsetzte Heide- und Grasfluren werden von Raubwürger, Neuntöter, Sperbergrasmücke, Heidelerche, Steinschmätzer, Schwarzkehlchen und Grauammer bewohnt (SCHÄFER et al. 2006). Für Heidelerche, Sperbergrasmücke und Brachpieper ist das Gebiet eines der Top-5-Gebiete Sachsen-Anhalts.
Rastvögel
Links/Dokumente
Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei)
verändert nach: MAMMEN, K. & U.; DORNBUSCH, G.; FISCHER, S. (2013): Die Europäischen Vogelschutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt, Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 10/2013.
Hauptteil (N2000-LVO LSA) (PDF, nicht barrierefrei)
Gebietsbezogene Anlage (N2000-LVO) (PDF, nicht barrierefrei)
Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen (PDF, nicht barrierefrei)
Den Standarddatenbogen und die Meldekarte finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz.