Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii)
Beschreibung
Die Rauhautfledermaus zählt mit ca. 6 – 15 g Körpermasse zu den kleineren der einheimischen Fledermausarten. Die Unterarmlänge liegt zwischen 3,2 – 3,7 cm (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998). Das Fell ist im Sommer auf der Körperoberseite rot- bis kastanienbraun, nach dem Haarwechsel im Herbst mehr dunkelbraun, oft mit deutlich grauem Überflug. Die Unterseite ist hell- bis gelbbraun. An der Schnauze, den Ohren und den Flughäuten ist die Art schwarzbraun gefärbt. Von der ähnlichen Zwergfledermaus unterscheidet sich die Rauhautfledermaus eindeutig anhand der Länge ihres V. Fingers (länger als 4,2 cm) und der Behaarung der Schwanzflughaut.
Biologie und Ökologie
Im Tiefland befinden sich die natürlichen Sommerquartiere der Rauhautfledermaus in Wäldern mit altem Baumbestand hinter Borken und in Stammaufrissen, aber auch in Baumhöhlen. Die Art trifft Mitte April aus den Überwinterungsgebieten in den Reproduktionsgebieten ein. Die adulten Weibchen verpaaren sich sofort in Paarungsgesellschaften, gebildet aus einem Männchen und bis zu 14 Weibchen. Die Weibchen können dann, abhängig von der Größe des Quartieres, kopfstarke Kolonien mit bis zu 30 Individuen bilden. Es werden häufig Zwillinge geboren. Die Rauhautfledermaus ist in Sachsen-Anhalt in interspezifischen Reproduktionsgesellschaften mit der Großen Bartfledermaus und der Zwergfledermaus (Mückenfledermaus?) anzutreffen (OHLENDORF 1998a). Bei einer Anwesenheit von ca. fünf reproduzierenden Weibchen plus zehn Juvenilen werden die Gesellschaften autark, d.h. sie trennen sich von den anderen Arten im Kasten (OHLENDORF et al. 2002). Bereits um den 10. – 15. Juli werden die Reproduktionsquartiere wieder aufgelöst. Die Jungtiere bilden große Jungengesellschaften (50 – 80 Individuen). Aus verschiedenen Reproduktionsquartieren kommend, konzentrieren sich die Tiere an wenigen Stellen, welche immer in nahrungsreichen Wäldern liegen. Zuerst verlassen die adulten Weibchen, später die Jungen und zum Schluss die Männchen diese Reproduktionsgebiete. Aus Sachsen-Anhalt liegen nur wenige Winternachweise vor (OHLENDORF et al. 2002). Die meisten Individuen überwintern in den Niederlanden, Frankreich oder in Südwestdeutschland. Die Rauhautfledermaus jagt bevorzugt Mücken und Kleinfalter.
Verbreitung
In Europa ist die Rauhautfledermaus nördlich bis etwa zum 60. Breitengrad verbreitet (GÖRNER & HACKETHAL 1987). Im Osten erstreckt sich das Areal bis in die Türkei, den Kaukasus und den Iran. Grundsätzlich kommt die Art in ganz Deutschland vor, jedoch aufgrund ihrer Zugaktivität zu allen Jahreszeiten verschieden häufig (MESCHEDE & HELLER 2000). Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in den östlichen Bundesländern, die Wochenstuben befinden sich hauptsächlich in den Wäldern des Norddeutschen Tieflandes.
Bestandssituation in Sachsen-Anhalt
Seit 1995 wird in Sachsen-Anhalt erfolgreich ein Monitoringprogramm mit Fledermauskästen speziell für die Rauhautfledermaus und die Große Bartfledermaus entwickelt und realisiert (OHLENDORF 1999). Damit konnte die Vorstellung, dass sich die Rauhautfledermaus nur in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich reproduziert, widerlegt werden (OHLENDORF 1998a, OHLENDORF et al. 2002). Gegenwärtig gehört die Rauhautfledermaus zu den am besten untersuchten Arten im Land. Sie ist stellenweise häufig in feuchten Wäldern im Tiefland verbreitet. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt im Urstromtal der Elbe. Die Reproduktionsgebiete sind das Cheiner Moor, der Kalbesche Werder, der Stadtwald Havelberg, die Düstere Lake, das Jederitzer Holz, das Bürgerholz bei Burg, die Kreuzhorst und der Lödderitzer Forst. Die sachsen-anhaltischen Reproduktionsgebiete liegen an der Westgrenze des Reproduktionsareals. Westwärts schließen sich die Durchzugsgebiete mit den Paarungsgebieten an, z.B. der Stausee Berga-Kelbra, die Bodeniederung sowie die Saaleaue bei Plötzkau und Bernburg. Ende Juli bis September kommt es über Sachsen-Anhalt zu Massenbewegungen von Rauhautfledermäusen aus östlichen Regionen, z.B. dem Baltikum.
Gefährdung und Schutz
Der durch die Forstwirtschaft verursachte Verlust an natürlichen Baumquartieren z.B. in der Düsteren Lake nimmt leider zu. Mit Fledermauskästen kann für die Rauhautfledermaus zwar kurzfristig ein schneller Quartierersatz geschaffen werden, dies sollte aber kein Alibi für derartige Praktiken in der Forstwirtschaft sein. Die Wirtschaftswälder verarmen an Baumhöhlen und damit sinkt die Artendiversität. Hinter Verblendungen an Hochsitzen kann die Art in entsprechenden Regionen leicht angesiedelt werden.
Rote Liste Deutschland: * ungefährdet (Stand 2009)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: 2 – Stark gefährdet (Stand 2004)
Literatur/Links
Link zur Literaturliste (als PDF, nicht barrierefrei)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2004): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 142 S.