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FFH-Gebiet "Ihle zwischen Friedensau und Grabow“

Die Ihle ist ein geschichtsträchtiger Fluss ...

... im Jerichower Land, der sich über eine Strecke von etwa 30 km in die Landschaft des Vorfläming einbettet. In dieser abwechslungsreichen, von der Eiszeit geprägten Region im Nordosten Sachsen-Anhalts, finden wir neben Binnendünen, Heideflächen, Grünländern und Feldern auch Bruch-, Au- und andere Wälder. Gestaltendes und charakteristisches Element dabei ist das Wasser, ob natürlich oder anthropogen geschaffen. Die großen und kleinen Flüsse und Bäche, die Vielzahl an Mühlen- und Entwässerungsgräben bahnen sich ihren Weg durch das Land hin zum großen Strom, der Elbe. Die Ihle fließt bei dem Städtchen Burg über den Elbe-Havel-Kanal in die Elbe. Auf dem Weg dorthin wird sie mit Wasser von kleinen Wiesenbächen und Gräben gespeist. Hier und da können wir noch Überreste von Mühlen entdecken, die von dem einst geschäftigen Treiben der Tuchmacherei und Gerberei an der Ihle zeugen. Wie beispielsweise die Jürgensmühle am Kammerforthgraben, dem größten Zufluss der Ihle. Diese liegt zwischen Friedensau und Grabow, einem Abschnitt des Flusses, wo dieser sich noch naturnah in die Landschaft schmiegt und ein charakteristisches und besonderes Ökosystem bildet. Zum Schutz der seltenen, vielfaltigen Lebensraumgemeinschaft wurden dieser rund 5 km lange Flusslauf 2004 zum FFH-Gebiet „Ihle zwischen Friedensau und Grabow“ erklärt.

Der Fluss hat hier eine hohe Gewässergüte, weswegen sich typische Arten naturnaher Fließgewässer ansiedeln konnten. Im Wasserkörper finden wir die für diesen Lebensraumtyp kennzeichnende flutende submerse (= abgetaucht; Wasserpflanzen die ganz untergetaucht im Wasser wachsen) Vegetation. Diese Pflanzen gedeihen vorwiegend an besonnten Stellen und sind für die Selbstreinigungsvorgänge und die Sauerstofferzeugung sowie als Habitat für Tiere im Gewässer von großer Bedeutung. Typische Vertreter, die wir in der Ihle finden, sind unter anderem Berle (Berula erecta), Flutender Schwaden (Glyceria fluitans) und Einfacher Igelkolben (Sparganium emersum). Charakteristischerweise wird die Ihle von Galeriewäldern begleitet, die dem seltenen und besonders empfindlichen Lebensraum der Erlen-Eschenwälder zugeordnet werden. Feuchte- und nässeliebende Baumarten, wie Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) bilden zusammen mit Stiel-Eiche (Quercus robur) und Hänge-Birke (Betula pendula) die Baumschicht. Schauen wir uns weiter am Ufer der Ihle entlang um, finden wir in der Strauchschicht Hasel (Corylus avellana), Schwarzern Holunder (Sambucus nigra) und Eberesche (Sorbus aucuparia). Die Krautschicht schließlich ist seggenreich ausgeprägt. Typische Vertreter sind beispielsweise die Sumpf-Segge (Carex acutiformis), die Winkel-Segge (Carex remota), der Gemeine Frauenfarn (Athyrium filix-femina) oder die Echte Sternmiere (Stellaria holostea).

Der Fluss bietet auch einer bunten Vielzahl von Tieren Lebensraum. Auf einem Streifzug entlang des Ufers können wir mit etwas Glück und Geduld beispielsweise Bachforelle (Salmo trutta fario), Hasel (Leuciscus leuciscus), Grasfrosch (Rana temporaria) und Kammmolch (Triturus cristatus) entdecken.

Etwas ganz Besonderes ist es, wenn wir eine Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) auf ihren Jagdflügen beobachten können. Die grüne Flussjungfer weist in dem FFH-Gebiet ein für Sachsen-Anhalt bedeutendes Vorkommen auf. Der Schutz und Erhalt dieser stabilen Population war einer der Gründe zur Ausweisung dieses FFH-Gebietes. Sie hat eine Körperlänge von 5 - 6 cm und ihre Flügelspannweite beträgt 6,5 – 7,5 cm. Kopf, Brust und die ersten beiden Hinterleibsabschnitte sind leuchtend grasgrün gefärbt, der restliche Hinterleib schwarz-gelb. Die erwachsenen Tiere findet man oft abseits der Gewässer an Wegesrändern oder im Wald. Die Larven hingegen leben versteckt im Flusssediment. Nur der Kopf mit der Fangmaske und das Ende vom Hinterleib mit den Tracheenkiemen (Atmungsorganen) ragen heraus. Um nicht bei starker Strömung abzudriften und um sich vor Fressfeinden zu schützen, haben die Larven einen Rückendorn und Seitendorne ausgeprägt. So lauern sie auf vorbeischwimmende Beute, wie beispielsweise Kaulquappen oder Mückenlarven. Die Larven der Libelle leben etwa 3 – 4 Jahre im Fluss, ehe sie außerhalb des Gewässers die Entwicklung zur flugfähigen Libelle vollenden.

In der Dämmerung kommen aus den umliegenden Wäldern und Siedlungen Fledermäuse zur Jagd herbeigeflogen. Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), Großes Mausohr (Myotis myotis), Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) und Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) erobern dann die Lüfte über der Ihle, während am Boden und im Wasser Biber (Castor fiber albicus) und Fischotter (Lutra lutra)auf Wanderschaft und Beutefang gehen.

Wir hoffen sie sind neugierig geworden, denn wir können hier einen Lebensraum mit seinem typischen Arteninventar erleben, wie er in Sachsen-Anhalt selten geworden ist. Also machen sie sich mit ihren Lieben auf und kommen sie vorbei zu einem erholsamen Spaziergang in diesem wunderbaren, spannenden Landstrich.

Link zum Schutzgebietssteckbrief

FFH-Gebiet "Bürgerholz bei Rosian“

„Viel zu spät ...

... begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Kultur und Reisen. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's! Reise, reise!“
Wilhelm Busch (1832 - 1908)

Und viele Regionen in Sachsen-Anhalt sind eine Reise wert! Ein lohnenswertes und wunderschönes Ziel, was heute vorgestellt werden soll, ist das europäische Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Bürgerholz bei Rosian“. Es liegt im Osten Sachsen-Anhalts, am östlichen Rand des Fläming, im Landkreis Jerichower Land. In diesem Landstrich hat die Saale-Eiszeit die Landschaftsformen und den Boden geprägt. Das Wasser scheint in Hülle und Fülle vorhanden und unzählige kleine Bäche und Rinnsale suchen sich schlängelnder Weise ihren Weg hin zu den Seen und größeren Flüssen. Um das Land urbar zu machen, mussten viele Entwässerungsgräben angelegt werden. Dieser menschliche Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt blieb nicht ohne Spuren. So wurden Moore, Feuchtwiesen, Bruch- und Auwälder zerstört. Damit einher ging ein Rückgang der für diese Lebensräume typischen Tier- und Pflanzenarten. Heute wird der Landstrich von land- und forstwirtschaftlichen Monokulturen geprägt. Nur vereinzelt sind noch standorttypische Reste der einstigen Natur erhalten.

Dazu gehört das „Bürgerholz bei Rosian“. Etwa 3 km östlich von Loburg erstreckt sich auf einer Fläche von 105 ha ein buntes Mosaik aus Auwaldrelikten, Wiesen und Hochstaudenfluren. In den alten Entwässerungsgräben siedelte sich im Laufe der Jahre eine typische Fließgewässserfauna und -flora an. Zu den besonderen Lebensräumen im Sinne der FFH-Richtlinie gehören im Gebiet die Flüsse mit ihrer (Unter-)Wasservegetation, die feuchten Hochstaudenfluren, die Mähwiesen, die Stieleichen-Hainbuchenwälder sowie die Auwälder mit Erlen und Eschen. Besonders letztere sind ungemein sensibel und in Mitteleuropa sehr selten geworden. Dementsprechend gelten sie als prioritär zu schützen. Etwa 54 ha von diesem Lebensraumtyp sind hier erhalten. Diese naturnahen Auwaldfragmente sind vorwiegend mit einheimischen Laubgehölzen bestanden und sehr strukturreich ausgeprägt. Vom jungen, emporstrebenden Bäumchen über große, ausladende Baumriesen bis hin zu alten oder bereits abgestorbenen Bäumen sind alle Altersstufen vorhanden. Unter dem aufgelockerten Kronendach der Bäume wächst eine reichlich entwickelte Strauch- und Krautschicht. In den strukturreichen Erlen-Eschenwäldern des Bürgerholzes fühlen sich Vögel sehr wohl und kommen in einer großen Vielfalt vor.

Neben den in Höhlen alter Bäume brütenden Spechtarten, Mittelspecht (Dendrocopus medius) und Schwarzspecht (Dryocopus martius), und dem Wendehals (Jynx torquilla), ist auch der in Horsten, hoch oben in den Baumwipfeln, brütende Rotmilan (Milvus milvus) im Schutzgebiet anzutreffen. Der Kranich (Grus grus) sowie der Weiß- und Schwarzstorch (Ciconia ciconia und C. nigra) nutzen das Bürgerholz bei Rosian zur Nahrungssuche.

Auch für Amphibien und Säugetiere stellt das Schutzgebiet einen geeigneten und wichtigen Lebensraum dar. An dieser Stelle seien beispielhaft wenige FFH-Arten des Anhangs IV genannt, die die Artenvielfalt des Bürgerholzes widerspiegeln sollen. Den Reigen eröffnet der Moorfrosch (Rana arvalis), der in Lebensräumen mit hoch anstehendem Grundwasserstand oder Staunässe, wie man es temporär in Auwäldern findet, lebt. Männchen wie Weibchen sind erdbraun gefärbt, mit dunkleren Flecken und einer scharf begrenzten hellen Linie auf dem Rücken. Geht es jedoch im Frühjahr zur Brautwerbung präsentieren sich die Männchen in einer auffällig blauen bis violetten Färbung und quaken zur Dämmerungszeit in außergewöhnlich gurgelnden und glucksenden Tönen, um so die volle Aufmerksamkeit der weiblichen Besucher am Gewässer zu erlangen.

Überhaupt ist nicht nur am Tag ein geschäftiges Treiben im Schutzgebiet zu beobachten, sondern auch in der Nacht sowie zur Abend- und Morgendämmerung. Sobald die Sonne untergeht, schwärmen viele Jäger aus, um auf Nahrungssuche zu gehen. Dann sollte sich besser jede Motte und jede Spinne gut verstecken, denn sowohl am Boden als auch in der Luft lauern ihnen hungrige Jäger auf.

Wahre Flugmanöverkünstler sind die Fledermäuse, die über den Offenländern des Bürgerholzes nach Futter suchen. So schwärmen unter anderem Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Große Bartfledermaus (Myotis brandtii) und Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) aus ihren Baumquartieren aus, um Zweiflügler, Nachtfalter und Käfer zu jagen.

Am Boden lauert Gefahr durch den Moorfrosch, welcher auf unvorsichtige Insekten und Spinnen wartet.

In den Wäldern, auf den Wiesen und an den Fließgewässern des Bürgerholzes bei Rosian ist immer was los und es gibt immer interessante und spannende Naturschauspiele zu beobachten. Wer sich auf leisen, aufmerksamen Sohlen dieser Welt nähert, dem wird sich die noch bestehende Vielfalt und Schönheit dieses Gebietes offenbaren. Ob als Ort der Erholung und Ruhe oder des Entdeckens und Erforschens kann man hier eine besondere Zeit allein, in der Familie oder mit Freunden verbringen.

Mit dem Schutz dieses besonderen Fleckchen Waldes inmitten von monotonen Wirtschaftsflächen als Relikt des einstigen Landschaftscharakters des Fläming werden nicht allein wertvolle Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten bewahrt, sondern auch ein für uns Menschen wichtiger Rückzugs- und Erholungsort erhalten.

Link zum Schutzgebietssteckbrief