Noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore - LRT 7120
Beschreibung
Ausschließlich vom Niederschlagswasser gespeiste Hochmoore, die anthropogen in ihrem Wasserhaushalt beeinträchtigt oder teilweise abgetorft, aber noch regenerierbar sind. Hochmoortypische Pflanzenarten sollten noch wesentliche Teile der Vegetation ausmachen und hochmoorfremde Arten noch keine Dominanzbestände bilden oder nur in Teilflächen vorhanden sein. Stadien mit zu starker, insbesondere flächiger Abtorfung und Entwicklungsstadien mit Einwanderung nitrophytischer Stauden sind nicht zu erfassen. Ebenso sind meliorierte Bereiche mit Grünland oder ackerbaulicher Bewirtschaftung ausgeschlossen. Als renaturierungsfähig werden Moore eingestuft, deren Hydrologie soweit wiederhergestellt werden kann, dass voraussichtlich innerhalb eines Zeitraums von wenigen Jahrzehnten ein Wiedereinsetzten der Torfakkumulation erwartet werden kann. Im Moorkomplex sollten noch, zumindest in großen, zusammenhängenden Teilbereichen, mächtige Torfkörper vorhanden sein. Strukturelle Eingriffe in Teilbereichen des Moores, die vor längerem stattgefunden haben (v.a. Torfabbau), könnten dann durch ungestörte Regeneration in Form eines erneut begonnenen Moorwachstums durch Torfakkumulation allmählich ausgeglichen werden. Daneben sollten zumindest in Resten noch gering direkt beeinträchtigte Hochmoorbereiche erhalten geblieben sein.
Standort
Die Entwicklung und das weitere Wachstum von Torfdecken erfolgt durch Akkumulation organischen Materials (besonders der basalen Teile des Torfmooses) infolge wirksamer Unterbindung der Mineralisierung. Der Torfkörper ist aus dem Grundwassereinfluss des unterlagernden Mineralbodens hinaus gewachsen, der Wasserhaushalt ist vollständig vom Niederschlag abhängig. Hochmoore sind durch extreme Nährstoffarmut und stark saures Milieu (pH < 4) gekennzeichnet. Die regenerierbaren Hochmoore (LRT 7120) unterscheiden sich von den naturnahen, lebenden Hochmooren (LRT 7110) durch eine anthropogene Störung der natürlichen Verhältnisse, durch teilweise Entwässerung des Moorkörpers sowie durch teilweisen Abbau des Torfs. Die Torfablagerungen sollten auf größeren Teilflächen eine Restmächtigkeit von mehr als einem Meter haben.
Vorkommen
In der Kulturlandschaft stellen lebende Hochmoorkomplexe Inseln ahemerober Lebensräume dar. Eine nachhaltige anthropogene Nutzung ist in Mitteleuropa nicht möglich. Renaturierungsfähige, also geschädigte Hochmoore, sind das Produkt anthropogener Kulturmaßnahmen wie Entwässerung und Aufforstung, oft verbunden mit negativen Einflüssen atmosphärischer Immissionen von Stickstoff oder Schwefeloxiden. Zur Renaturierung sind Maßnahmen erforderlich, die auf die Beseitigung der Kultureinflüsse zielen.
Pflege/Schutz
Von zentraler Bedeutung für die Regeneration gestörter Hochmoore ist die Wiederherstellung des hochmoortypischen hydrologischen Regimes, vor allem der Anstau der oft vorhandenen Entwässerungsgräben. Es wird allgemein empfohlen, dabei strikt darauf zu achten, kein basenhaltiges Grundwasser anzustauen. Ausnahmesituationen können sich in Fällen sehr starker Moorentwässerung ergeben. Wenn durch die Entwässerung eine dauerhafte Wasserhaltigkeit des Katotelms auch bei Retention des überwiegenden Teils des Niederschlagswassers nicht gewährleistet werden kann, kommt es durch Luftzutritt zur beschleunigten Torfzersetzung. Die Folge sind drastische Vegetationsveränderungen wie flächige Verheidung, massives Aufkommen von Bäumen oder Ansiedlung von Schilf, Rohrkolben- oder Großseggenarten. In solchen Fällen kann auch der zusätzliche Anstau mineralreicheren Grundwassers sinnvoll sein, der zwar ebenfalls einen Artenwechsel fördert, jedoch unter Umständen eine schnellere Moorregeneration durch Reaktivierung der Torfbildung gewährleistet. Die Einrichtung klimatischer Schutzzonen um die Hochmoore trägt durch Minimierung der Verdunstungsverluste dazu bei. Konkrete Maßnahmen wurden beim LRT 7110 genannt. In den meisten der regenerierungsfähigen Hochmooren stellt sich die Frage nach dem Sinn der Beseitigung von auf der Moorkalotte aufkommenden Gehölzen. Durch die Gehölze kommt es zur Moorentwässerung und Torfzersetzung und damit zur Freisetzung größerer Mengen von Pflanzennährstoffen, insbesondere Stickstoff. Auch ein atmosphärischer Stickstoffeintrag von mehr als 15 kg/ha und Jahr führt zum Anstieg des pflanzenverfügbaren Stickstoffs im Akrotelm, der oberen, durchlüfteten und von Pflanzen durchwurzelten Torfschicht. Dadurch werden die Bedingungen für das Aufkommen von Gehölzen erheblich verbessert. Die Evapotranspiration einer dichten Gehölzschicht ist wesentlich höher als diejenige der moortypischen krautigen Vegetation. Der höhere Wasserverbrauch der Gehölze bedingt eine verstärkte Entwässerung des Moores, damit eine tiefere Durchlüftung des Torfkörpers und einen intensiveren Torfzersatz. Die Standortbedingungen können sich dadurch weiter zugunsten der Gehölze verändern, so dass im Extremfall eine flächige Bewaldung der Moorfläche möglich wird. Durch Beschattung sowie Veränderung der hydrologischen und der Nährstoffverhältnisse des betroffenen Standortes kann eine Regeneration der hochmoortypischen Offenlandvegetation und der an sie gebundenen Zoozönosen auf lange Sicht unterbunden werden. Eine lichte Gehölzbedeckung kann sich allerdings durch Windbremsung und Schattenwurf auch mindernd auf die Verdunstung auswirken, so dass durch lockere Bewaldung eine Stabilisierung der hydrologischen Verhältnisse und eine Beschleunigung der Moorrenaturierung bewirkt werden kann. Bei der Frage nach dem Sinn der Gehölzbeseitigung ist zu beachten, dass es sich bei den charakteristischen Blütenpflanzen der Hochmoore um Glazialrelikte handelt, deren moorgebundene Vorkommen unter heutigen Bedingungen isoliert sind. Bedingungen, die geeignet sind, eine Diasporenverbreitung dieser Arten von intakten zu regenerierenden Mooren zu gewährleisten, existieren in der heutigen Kulturlandschaft praktisch nicht mehr. Das heißt, wenn diese Arten infolge Beschattung durch Gehölze lokal aussterben, ist eine Wiederbesiedlung der betreffenden Standorte auch nach einer nur episodischen Bewaldung nicht mehr möglich, zumindest aber äußerst unwahrscheinlich. Insofern kann eine periodische Entbuschung von gestörten oder durch Immissionen beeinträchtigten Hochmooren aus Artenschutzgründen durchaus sinnvoll sein, zumindest wenn diese von flächiger Verwaldung bedroht sind. Dagegen ist die Gehölzbeseitigung auf Flächen mit bereits deutlich regenerierender Moorvegetation in der Regel unnötig. Auf Flächen, deren Relief keine Vernässung durch ombrotroph stagnierendes Wasser zulässt, ist das Entfernen der Gehölze nicht sinnvoll. Zur Planung konkreter Maßnahmen sind in jedem Fall Untersuchungen des betreffenden Moores nötig, die lokalspezifische Ursachen der Sukzessionstendenz, die voraussichtliche Dauer von Pflegeeingriffen sowie die Erfolgsaussichten von Pflegemaßnahmen aufzeigen.
Ausgewählte lebensraumtypkennzeichnende (wertgebende) Arten
Gefäßpflanzen:
- Rosmarinheide (Andromeda polifolia)
- Zwerg-Birke (Betula nana)
- Wenigblütige Segge (Carex pauciflora)
- Mittlerer Sonnentau (Drosera intermedia)
- Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia)
- Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum)
- Sumpf-Porst (Ledum palustre)
- Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba)
- Gewöhnliche Rasenbinse (Trichophorum cespitosum)
- Kleiner Wasserschlauch (Utricularia minor)
- Ockergelber Wasserschlauch (Utricularia ochroleuca)
- Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos)
- Rauschbeere (Vaccinium uliginosum)
Moose:
- Calliergon stramineum
- Calypogeia sphagnicola
- Dicranum undulatum
- Fossombronia foveolata
- Mylia anomala
- Odontoschisma sphagni
- Polytrichum strictum
- Sphagnum balticum
- Sphagnum cuspidatum
- Sphagnum fuscum
- Sphagnum magellanicum
- Sphagnum molle
- Sphagnum papillosum
- Sphagnum rubellum
- Sphagnum tenellum
Literatur/Links
Link zur Literaturliste: (PDF, nicht barrierefrei)
52, 80, 89, 110, 151, 193, 242, 287, 299, 303, 319
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2002): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 368 S.