Kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus)
Beschreibung
Die Körpermasse dieser Myotis-Art beträgt 4 – 8 g, die Unterarmlängen erwachsener Tiere liegen zwischen 3,2 – 3,6 cm (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998). Die beiden Bartfledermausarten werden erst seit den 1960er Jahren unterschieden. Kennzeichen der meist kleineren Myotis mystacinus ist das lange, etwas krause Fell mit dunkelgrauer Haarbasis. Die Färbung der Körperoberseite variiert stark, von dunkel nussbraun über graubraun bis zu hellbraun. Die Unterseite ist meist dunkel- bis hellgrau. Die Färbung der fellfreien Hautpartien wie Schnauze, Ohren und Flughäute ist in der Regel schwarzbraun. Als besondere Bestimmungsschwierigkeit kommt bei den Bartfledermäusen hinzu, dass sich die Färbung der Fellkleider der Jungtiere mit dem Älterwerden verändert. Dies kann insbesondere zum Verwechseln juveniler Myotis mystacinus mit Myotis brandtii führen. Bei den Alttieren können die Form des Penis, der nicht keulig verdickt ist wie bei M. brandtii, bzw. die Form des Nebenhöckers im Gebiss als wichtige Merkmale zur Artdiagnose verwendet werden.
Biologie und Ökologie
Die Kleine Bartfledermaus ist eine der kleinsten Fledermausarten Deutschlands. Sie besiedelt eine Vielzahl von Habitattypen und ist auch in Stadtrandbereichen mit lockerer Bebauung und in Parkanlagen von Städten verbreitet. Ihre natürlichen Quartiere befinden sich in Wäldern, hier hinter sich lösender Borke oder in Stammrissen. Die Sommerquartiere im Siedlungsbereich sind meist an Gebäuden zu finden. Die Kleine Bartfledermaus bildet keine sympatrischen Reproduktionsgesellschaften mit anderen Arten. Als Jagdlebensräume werden u.a. Parks, Gärten, Gewässer sowie Wiesen- und Waldbiotope genutzt (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998). Bevorzugt werden nach bisherigem Kenntnisstand Jagdhabitate in strukturreicher Siedlungsumgebung mit Bachläufen, Hecken und einem hohen Angebot an Grenzlinien wie Wald- und Gebüschränder bis hin zum geschlossenen Wald (MESCHEDE et al. 2000). Das Winterquartierspektrum ist ähnlich dem der Großen Bartfledermaus. Beide Bartfledermausarten besiedeln im Winter eher kühlere Felsquartiere. Beobachtungen aus Kellern im Tiefland sind sehr selten, jedoch häufiger als bei der Großen Bartfledermaus. Auch das Nahrungsspektrum ähnelt dem von M. brandtii, wobei M. mystacinus eine etwas größere Anzahl an Arten fängt.
Verbreitung
Nach SCHOBER & GRIMMBERGER (1998) und NIETHAMMER & KRAPP (2001) ist die Art in ganz Europa verbreitet und erreicht im Norden etwa den 65. Breitengrad. Die Kleine Bartfledermaus ist in ganz Deutschland nachgewiesen, ein eindeutiger Verbreitungsschwerpunkt ist jedoch nicht erkennbar (MESCHEDE & HELLER 2000). In den nördlichen Bundesländern fehlen Wochenstubennachweise, was jedoch methodisch bedingt sein kann.
Bestandssituation in Sachsen-Anhalt
Die Kleine Bartfledermaus ist in Sachsen-Anhalt dispers verbreitet, wobei im Harz eine Fundkonzentration im Winter und zur Schwärmzeit vorliegt. Aktuelle Reproduktionsquartiere sind derzeit nur aus der Altmark bekannt. Allerdings bildet die Art nur kleine Reproduktionsgesellschaften, wodurch sie weniger auffällig ist. Bei einem zwei Jahre andauernden wöchentlichen Abfangprogramm in der Heimkehle gehörte die Kleine Bartfledermaus unter den elf gefangenen Arten zu den sehr selten nachgewiesenen Spezies (OHLENDORF 2002a). Unter 2.407 zur Schwärmzeit im Jahr 2001 in den Rübeländer Höhlen gefangenen Fledermäusen befanden sich im Gegensatz zu 164 Großen (7 %) nur 99 Kleine Bartfledermäuse (4 %) (OHLENDORF 2003). Die genaue Determination der Bartfledermausarten in Sachsen-Anhalt zeigte, dass die Kleine Bartfledermaus zu den sehr seltenen Fledermausarten gehört. Der Bestand ist sehr schwierig einzuschätzen. Anhand der Winternachweise sind keine Bestandsentwicklungen erkennbar.
Gefährdung und Schutz
Als typische „Fensterladenfledermaus“ hat die Kleine Bartfledermaus im urbanen Raum besonders unter Quartierverlust zu leiden. Die Sommerquartiere an Gebäudefassaden sind z. B. durch die Abnahme von Fensterläden akut gefährdet. In einem Fall konnte beim Abriss eines Hochhauses bei Allstedt unter der Blechverkleidung einer Mauerabdeckung auf einem Dach der direkte Quartierverlust nachgewiesen werden. Die Art bleibt bei Sanierungen leicht unentdeckt und ist dadurch besonders gefährdet. Alte Laubwälder mit Bäumen in der Zerfallsphase, bei denen sich die Borke löst, stellen optimale Lebensräume dar. In Wirtschaftswäldern ist das Quartierangebot ungleich schlechter. An den Harzer Felsquartieren wurden umfangreiche Sicherungsmaßnahmen vorgenommen, wie eine Verbesserung der Verschlusssicherheit und Einflugsoptimierungen.
Rote Liste Deutschland: V – Art der Vorwarnliste (Stand 2009)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: 1 – Vom Aussterben bedroht (Stand 2004)
Literatur/Links
Link zur Literaturliste (als PDF, nicht barrierefrei)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2004): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 142 S.