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Liegendes Büchsenkraut (Lindernia procumbens)

Beschreibung

Das Liegende Büchsenkraut (Braunwurzgewächse, Scrophulariaceae) ist eine krautige Pflanze von recht unterschiedlicher Größe. Kümmerliche Pflanzen sind unverzweigt und 2 – 3 cm hoch, Mastexemplare erreichen bei starker Verzweigung und niederliegendem Wuchs (Artname!) Sprosslängen von 15 – 25 cm. Die elliptischen Blätter sind ganzrandig und dreinervig. Im traubigen Blütenstand überragen die Blüten und später die Fruchtstiele ihre Tragblätter deutlich. Von den aus dem Kelch ragenden Blütenzipfeln ist besonders die dreiteilige Unterlippe zart violett gefärbt. Alle vier Staubblätter sind fertil. Die schlanke, eiförmige Kapsel enthält viele kleine Samen.

Biologie, Standorte und Soziologie

Lindernia procumbens ist ein konkurrenzschwacher Therophyt. Sie blüht von August bis Oktober bei uns oft kleistogam (geschlossenblütig), nur bei besonders warmer Witterung (2003!) chasmogam (offenblütig). Die Ausbreitung durch Wasservögel oder durch das Wasser selbst scheint in Sachsen-Anhalt erschwert zu sein. Innerhalb von 40 Jahren wurde keine dauerhafte Neuansiedlung beobachtet. Das Liegende Büchsenkraut wächst bei uns auf feuchtem, teilweise sandigem, nährstoffreichem Uferschlamm trockenfallender Altwasserränder bevorzugt im Cypero-Limoselletum (Nanocyperion). Es besteht die Gefahr der Verdrängung durch den wuchsfreudigeren Neophyten Großes Büchsenkraut (L.) PENNELL (Lindernia dubia), der sich im Elbetal an vielen potenziellen Wuchsorten der geschützten Schwesternart eingenischt hat.

Verbreitung

Arealformel: subtropisch-subtemperates, subozeanisches bis kontinentales Asien + submediterran-subtemperates Eurasien. Die Art kommt nur in planaren und kollinen Lagen vor. Die Hauptverbreitung liegt in Süd- und Ostasien, von Kasachstan über Süd-Russland/ Ukraine klingen die Vorkommen, mit Häufungen in Ungarn und der Slowakei, nach Westen zu aus. Vorposten erreichen Frankreich und Portugal. In Deutschland liegt der Schwerpunkt der wärmeliebenden, oft unbeständigen Art in Ostbayern (Donau- und Regental) und in Baden (Oberrheinebene und Randgebiete), überall mit rückläufigen Fundortzahlen. Von Böhmen her hat Lindernia procumbens elbeabwärts Sachsen, Brandenburg und das heutige Sachsen-Anhalt erreicht. 1784 gelang SCHKUHR (1788) bei Wittenberg der Erstfund für Deutschland. Die meisten Vorkommen im Odertal (Schlesien/Polen) blieben in jüngerer Zeit unbestätigt (BANAS in ZAJAC & ZAJAC 2001): Dort hatte sich die Art vor 60 Jahren der heutigen deutschen Grenze bis auf knapp 40 km genähert (STRECH 1941, 1945 - vgl. Fußnote von F.K.G.FEDDE (1873 – 1942) in LIBBERT (1938, S. 177): „Die Oderufer bei Bellinchen und Schwedt wären durchaus geeignete Orte, wo sich diese Pflanze finden lassen müsste... Lindernia pyxidaria war der Traum meiner Jugend.“ An Fundorten in Rheinland-Pfalz (Rheintal) und Hessen (unterer Main sowie zuletzt Diemel-Stausee – BURRICHTER 1960) gilt die Art als erloschen bzw. verschollen. Die Vorkommen in Sachsen-Anhalt bilden einen Teil der Nordgrenze des Gesamtareals. Angaben aus der pflanzensoziologischen Literatur für die Niederlausitz werden wegen Unsicherheit negiert (so auch bei BENKERT & KLEMM 1993).

Bestandssituation in Sachsen-Anhalt

Lindernia procumbens wurde bisher in Sachsen-Anhalt nur im Dessau-Wittenberger Abschnitt des Elbetals beobachtet. Während die Funde am Elbeufer gegenüber Wittenberg (1784 mit Dichostylis micheliana, SCHKUHR 1788) und bei Griebo (SCHWABE 1860, 1865) später nicht mit Sicherheit bestätigt wurden (vgl. GRAEBNER 1909: „fehlt ... jetzt im Norddeutschen Flachland ganz“), wurde die Art am Elbeufer nordöstlich von Dessau von A. ZOBEL 1911 beobachtet, aber erst 1976 aus dem Nachlass publiziert (ZOBEL 1976). Beim Auffinden von Scheidenblütgras (Coleanthus subtilis), Igelsamiger Schuppenmiere (Spergularia echinosperma) und Lindernia dubia am Kurzen Wurf bei Klieken, ganz in der Nähe der vermuteten Fundstelle von ZOBEL, gelang kein neuer Nachweis des Liegenden Büchsenkrautes.
Dagegen tritt die Art im späteren Flächennaturdenkmal (FND) Schluft (Elbealtarm) bei Bleddin seit 1963 (JAGE 1964) bis heute in stark schwankender Individuenzahl sowie nicht alljährlich und fast immer gemeinsam mit Michaelis Zwergzypergras (Dichostylis micheliana) auf. Die Untersuchungen des Monitoring-Jahres 2011/12 brachten keine Funde der Art (KRUMBIEGEL et al. 2012), dennoch gilt dieser Fundort als der einzige aktuelle innerhalb Sachsen-Anhalt.
Ein weiteres Vorkommen an der untersten Schwarzen Elster nordwestlich von Gorsdorf, 1973 mit Lindernia dubia, Sumpf-Heusenkraut (Ludwigia palustris) u.a. ist verschollen, der Standort wurde vom Biber überstaut (Punkt nach JAGE in BENKERT et al. 1996).
Elbeaufwärts liegt der nächste Fundort in Sachsen (NSG Alte Elbe Kathewitz/Kreis Torgau) in einer Entfernung von etwa 36 km Luftlinie (Punkt nach JAGE in HARDTKE & IHL 2000).

Gefährdung und Schutz

Vor 40 Jahren gab es an der Bleddiner Schluft bei Niedrigwasser ausgedehnte Flachuferzonen mit Littorellion-(Eleocharis acicularis-) und Nanocyperion-Beständen, die seit langem in kleinbäuerlicher Tradition (Dorfteich!) von Hausenten und -gänsen abgeweidet wurden. Mit dem Nachlassen dieser Nutzungsform und durch Eingriffe des Anglerverbandes (Breitschieben von Schlammaushub) kam es zu einer fortschreitenden natürlichen Sukzession (Agrostis stolonifera-Rasen, üppige Bidention-Bestände mit hoher Biomasseproduktion, aufkommende Weichholzaue). Dadurch engen sich die Wuchsräume für Lindernia procumbens an ihrem letzten existenten Vorkommen in Sachsen-Anhalt und in gleichem Maße die für Dichostylis micheliana an ihrem einzigen Vorkommen in Deutschland immer wieder ein. Erfreulich ist, dass es nach längeren Hochwasserständen, an der Schluft als Qualmwasser mit stark verzögertem Trockenfallen, zu einem natürlichen Unterbrechen dieser Sukzession kommt (z.B. 2003 nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002). Pflegemaßnahmen der Naturschutzbehörde und des Anglerverbandes (Entfernen von Weidenaufwuchs, Mähen der Bidention-Bestände) dienten bisher nur der optischen Bereinigung der Flächen. Noch scheint der natürliche Diasporenvorrat vor Ort zu reichen, wodurch nachweislich Zeiten von zehn Jahren überbrückt werden können. Zu empfehlen ist die Förderung der bäuerlichen Kleinviehhaltung in Bleddin und eventuell ein Abflachen des östlichen Ufers im Nord- und Mittelteil der Schluft.

Rote Liste Deutschland:                    2 – Stark gefährdet (Stand 1996)

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               1 – Vom Aussterben bedroht (Stand 2004)

Literatur/Links

Link zur Literaturliste (als PDF, nicht barrierefrei)

entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2004): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 142 S.
KRUMBIEGEL, A., D. FRANK, J. ECKSTEIN, C. HEIN, F. KOMMRAUS & F. MEYSEL (2012): Das Monitoring der Pflanzenarten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie in Sachsen-Anhalt. In: Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt 17, s. 3-24.