Wildkatze (Felis silvestris)
Beschreibung
Das langhaarige, dichte Fell der Wildkatze ist gelblichgrau gefärbt, wobei die Rückenpartie dunkler (grauer) und die Bauchseite heller (gelblicher) erscheinen. Auf dem Rücken ist ein schmaler schwarzer Aalstrich erkennbar. Der dicke, buschige Schwanz endet stumpf und trägt außer dem schwarzen Schwanzende zwei bis drei geschlossene schwarze Ringe. Schwanzform und -färbung können als Hinweis auf Wildkatzen dienen, erlauben aber, wie auch die Körpergröße und Fellfarbe, keine sichere Bestimmung (HEMMER 1993a). Eine eindeutige Trennung zwischen wildfarbenen Hauskatzen bzw. Hybriden und echten Wildkatzen ist lediglich anhand des Schädelvolumens und der Darmlänge (PIECHOCKI 1990) bzw. mittels molekulargenetischer Methoden möglich (HILLE et al. 2000). Die Kopf-Rumpf-Länge adulter Wildkatzen beträgt 45 – 67 cm und die Schwanzlänge 21,5 – 35 cm, wobei die Männchen die größeren Maße aufweisen. Für Wildkatzen aus dem Harz und Nordthüringen ermittelte PIECHOCKI (1986) Körpermassen von 3,0 – 6,5 kg (Männchen) bzw. 2,3 – 4,9 kg (Weibchen).
Biologie und Ökologie
Die einzelgängerisch lebenden Wildkatzen sind nacht- und dämmerungsaktiv. Wichtigster Lebensraum sind alte Laub- und Mischwälder mit einem hohen Anteil von Waldrandzonen (Lichtungen, Windbrüche) bzw. deckungsreiches Gelände im direkten Waldrandbereich. Für den Harz gibt PIECHOCKI (1986) eine Bevorzugung der sonnenexponierten Südhanglagen an. An hohe Schneelagen ist die Art schlechter adaptiert als etwa der Luchs. Die Hauptpaarungszeit der Wildkatzen liegt in den Monaten Februar und März. Im April/Mai werden dann drei bis fünf (sechs) behaarte blinde Junge geboren, die nach ca. drei Monaten selbständig sind. In einigen Regionen können im Spätsommer Zweitwürfe beobachtet werden (PIECHOCKI 1990). Der Nahrungserwerb der Wildkatze erfolgt durch Pirsch- oder Ansitzjagd. Erbeutet werden vor allem Kleinsäuger bis zur Größe eines Kaninchens und Vögel. Auch die Aufnahme von Amphibien und Reptilien konnte nachgewiesen werden (HEMMER 1993a). Natürliche Feinde stellen der Luchs, dem eine ausgesprochene Aversion gegen Wildkatzen nachgesagt wird, und vor allem für Jungkatzen der Uhu, der Fuchs und einige Vertreter der Musteliden (z. B. Baummarder, Hermelin) dar.
Verbreitung
Das durch einen überregional massiven Rückgang zersplitterte Areal der Art umfasst in Europa Schottland, die Iberische Halbinsel, Italien, Teile Frankreichs und Deutschlands sowie die Karpaten und den Balkan (MITCHELL-JONES et al. 1999). In Fennoskandinavien und Nordosteuropa fehlte die Art auch in früheren Zeiten (Schneelagen!). Aktuell erfolgt bedingt durch Wiederbesiedlung und v. a. Wiedereinbürgerung eine Ausweitung des Verbreitungsgebietes. Genaue Angaben über Wildkatzenvorkommen sind jedoch schwierig, da eine Verwechslung mit Hauskatzen bzw. das Auftreten von Hybriden nicht ausgeschlossen werden kann. In Deutschland hat die Art derzeit noch zwei größere Vorkommensgebiete. Diese befinden sich zum einen in Mitteldeutschland (Harz, Solling, Kyffhäuser, Hainich, Knüll) und zum anderen in Südwestdeutschland (Eifel, Hunsrück, Pfälzer Wald) (POTT-DÖRFER & RAIMER 1998).
Bestandssituation in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt besiedelt die Wildkatze flächendeckend das gesamte Harzgebiet (GÖTZ & ROTH 2007). Höhere Bereiche (bis 1.000 m) werden während andauernder Schneelagen gemieden, ansonsten aber auch frequentiert. Ähnliche Beobachtungen liegen aus dem ebenfalls flächendeckend besiedelten Westharz vor (POTT-DÖR.ER et al. 1998).
Bis Anfang der 1990er Jahre konnten nur sporadisch Einzeltiere außerhalb des Harzgebietes beobachtet werden (PIECHOCKI 1990, RICHTER 1991). Seit 1996 belegen Nachweise aus den Harslebener Bergen, dem Ziegelrodaer Forst (GÖTZ & ROTH 2007), dem Hakel (Jungtiere - STUBBE & STUBBE 2001) und dem Huy (DANKEMEIER zit. in STUBBE & STUBBE 2001) jedoch eine dauerhafte Besiedlung des nördlichen und südlichen Harzvorlandes. Nach LAU (2016a) ist aufgrund dieser Ausbreitungstendenzen auch mit der künftigen Besiedlung des Flämings, der Dübener Heide, dem Zeitzer Forst und den Waldgebieten der Altmark zu rechnen.
Im gesamten Harz gibt es aktuell nach dem BUND-WILDKATZENBÜRO SAALEKREIS 700-1000 Wildkatzen. Zum Bestand der Art im sachsen-anhaltinischen Vorkommensgebiet sind derzeit aufgrund fehlender Angaben zur Dichte und Lebensraumnutzung der Art keine quantitativen Aussagen möglich. Aus 37 FFH-Gebieten liegen Nachweise der Wildkatze vor (LAU 2016b). Jedoch dürften jeweils Flächen innerhalb und außerhalb von FFH-Gebieten zum Revier der Tiere zählen.
Gefährdung und Schutz
Die Gefährdung der Wildkatze hat heute vier wesentliche Ursachenkomplexe:
- Verlust bzw. Verinselung der Lebensräume: Der Harz und sein Vorland stellen in Sachsen-Anhalt zwar einen zusammenhängenden Lebensraum dar, sind aber isoliert von weiteren zusammenhängenden Wildkatzenvorkommen (z. B. Eifel-Hunsrück-Gebiet). Die verstärkte menschliche Nutzung und die damit einhergehende Zerschneidung der Landschaft erhöht die Gefahr einer weiteren Isolierung und Verinselung der Wildkatzenpopulationen.7
- Anthropogene Todesursachen: An erster Stelle ist hier der stetig anwachsende Straßenverkehr zu nennen, dem ein beträchtlicher Teil der Wildkatzen zum Opfer fallen kann (PIECHOCKI 1990). Daneben treten durch jagdliche Aktivitäten bedingte Verluste (Fehlabschüsse, Einsatz von Totschlagfallen, Nachsuchen mit freilaufenden Hunden) zumindest im Harz in den Hintergrund.
- Verlust genetischer Identität: Das Ausmaß der Introgression der Wildkatze mit Hauskatzen in Sachsen-Anhalt ist schwer abzuschätzen, zumal bis jetzt lediglich auf phänotypischen Untersuchungen basierende Ergebnisse vorliegen (PIECHOCKI 1990). Molekulargenetische Untersuchungen in anderen Populationen zeigen einen besorgniserregend hohen Grad von Bastardierung der beiden Formen, z. B. in Schottland (HUBBARD et al. 1992). Hinzu kommt, dass Wildkatzen für verschiedene Katzenkrankheiten anfälliger zu sein scheinen als die, oft veterinärmedizinisch behandelten, domestizierten Verwandten (RAGNI 1993).
- Prädation: Natürliche Feinde spielen wahrscheinlich heute nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch stellen Uhu und Marder für Jungkatzen sowie Luchs (Aussetzungen im Harz!) und freilaufende Hunde für Alttiere eine Gefahr dar.
Höchste Priorität im Wildkatzenschutz hat der Schutz der Lebensräume bzw. die Entwicklung eines effektiven Lebensraumverbundes:
- Erhaltung strukturreicher Wälder mit Alt- und Totholzbereichen,
- zulassen natürlicher Sukzession (Entstehung von Freiflächen),
- wiederherstellen/Ausbau von Saumstrukturen,
- Gewährleistung eines guten Höhlen- und Unterschlupfangebotes (Alt- und Totholz erhalten, Kontrolle von Holzpoltern vor dem Abtragen),
- Sukzession von Steinbrüchen bzw. Felshängen,
- Vermeidung weiterer Zerschneidung/Zersiedlung der Lebensräume,
- Lebensraumvernetzung in Form von Hecken und Feldgehölzen (z. B. zwischen Südharz und Kyffhäuser bzw. Nordharz und Harzvorland),
- Installation sicherer Verkehrsstraßenquerungen (in Sachsen-Anhalt vor allem an der A38) im Verlauf des Lebensraumverbundes (JUNGELEN 2000),
- Schaffung von Ruhezonen (Schutzgebiete!),
- Verzicht auf Rodentizide in der Forstwirtschaft.
Weiterhin sind innerhalb der Lebensräume Einschränkungen in der Jagdausübung erforderlich wie keine Bejagung wildfarbener Katzen, Verbot von Totschlagfallen und Baujagden, um das unbeabsichtigte Töten von Wildkatzen zu vermeiden.
Rote Liste Deutschland: 3 – Gefährdet (Stand 2009)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: 1 – Vom Aussterben bedroht (Stand 2004)
Projekte
Projekt „Natura 2000 - Rettungsnetz für Wildkatze & Co.“
Das Projekt wurde im Oktober 2012 gestartet und wird durch ELER-Mittel und das Land Sachsen-Anhalt finanziert. Zu den Inhalten des Projektes zählt:
- die Erfassung von nach EU-Richtlinie besonders geschützten Tierarten wie der Wildkatze, dem Grauspecht und diversen Fledermausarten in den um Halle gelegenen Landkreisen Saalekreis, Mansfeld-Südharz und Burgenlandkreis,
- die Erarbeitung von Schutzstrategien und einer umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit für diese Arten.
Ausführliche Informationen unter: Natura, 2000, Rettungsnetz, Wildkatze, Haselmaus, Rotmilan, Franzigmark, Umweltzentrum, BUND, Regionalverband, Umweltschutz, Naturschutz (bund-halle.com)
Projekt „Wildkatzensprung - Wiedervernetzung der Wälder Deutschlands“
Das Projekt wird in insgesamt 10 Bundesländern durchgeführt. Zu den Inhalten des projektes zählt:
- eine Geninventur in den verbliebenen Kernverbreitungsgebieten der Wildkatze (mit Hilfe der Lockstockmethode)
- in einigen Bundesländern zusätzlich Pilotprojekte zur Umsetzung von Biotopverbund-Korridoren aus Bäumen und Hecken.
In Sachsen-Anhalt arbeiten Mitarbeitende des Nationalparks Harz, des BUND-Regionalverbandes Halle-Saalekreis, der BUND-Kreisgruppe Harz und des Tierparks Thale zusammen. Ausführlichere Informationen unter: Wildkatzensprung (bund-sachsen-anhalt.com)
Literatur/Links
Link zur Literaturliste (als PDF, nicht barrierefrei)
entnommen aus:
BUND-WILDKATZENBÜRO SAALEKREIS: http://www.wildkatze-in-sachsen-anhalt.de/index.html NEU; Wildkatze (bund-sachsen-anhalt.com)
LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (2004): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 142 S.
LAU - LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (2016a): Tierartenmonitoring Natura 2000 - Wildkatze. Online verfügbar unter http://www.tierartenmonitoring-sachsen-anhalt.de/index.php, Zugriff am 10.10.2016
LAU - LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (2016b): Standarddatenbögen, Aktualisierung 2016
Weiterführende Informationen:
Die Säugetierarten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Land Sachsen-Anhalt, Wildkatze
(Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 2 / 2015)
Natura verbunden - Die Wildkatze in Sachsen-Anhalt
(Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Fachbereich Naturschutz)