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Flussseeschwalbe (Sterna hirundo)

Verbreitung

Die Flussseeschwalbe ist holarktisch verbreitet mit wenigen, z.T. unregelmäßigen Brutvorkommen in den Überwinterungsgebieten an der südamerikanischen und westafrikanischen Küste. Die geschlossene Verbreitung reicht vom Mittelmeerraum, den Britischen Inseln und Skandinavien bis zum Beringmeer, Kamtschatka und Sachalin und erstreckt sich unter Ausklammerung von Alaska und dem westlichen Nordamerika bis in die Karibik. Der Polarkreis, der nur im atlantisch beeinflussten Nordeuropa überschritten wird, bildet die nördliche Arealgrenze. Von den wahrscheinlich vier Unterarten bewohnt die Nominatform S. h. hirundo die Westpaläarktis und Nearktis. Der größte Teil des europäischen Gesamtbestandes (ca. 250.000 BP) brütet in Russland, Skandinavien (besonders Finnland), Weißrussland, der Ukraine, den Niederlanden und Großbritannien (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982, HUME & LEMMETYINEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die aktuelle Verbreitung in Deutschland beschreiben BECKER & SUDMANN (1998). Im Jahr 1996 brüteten ca. 82 % des deutschen Bestandes in den Küstenbereichen, davon allein ca. 69 % an der Nordseeküste. Die größte Binnenlandpopulation befindet sich mit ca. 500 BP (1996/97) in Mecklenburg-Vorpommern (NEUBAUER in BECKER & SUDMANN 1998). Sachsen-Anhalt wird nur im Nordteil, im Bereich der unteren Havel und vereinzelt an der Elbe besiedelt (BECKER & SUDMANN 1998, NICOLAI 1993a). Für die sachsen-anhaltische Havelniederung werden zwei Brutkolonien mit jeweils 10 bis 15 BP angegeben (HAASE et al. 1995). Eine weitere Kolonie wird für das NSG Schollener See genannt (DORNBUSCH 2002).

Ökologie und Zugstrategie

Die Flussseeschwalbe brütet an Flach- und Wattküsten, Flussmündungen, naturnahen Flüssen und größeren Seen und Teichen. Die Brutplätze bzw. -kolonien an der Küste liegen bevorzugt auf Inseln und vegetationsarmen Sand-, Kies- und Schlammflächen. Im Binnenland werden Schotter- und Kiesbänke in Flüssen, Seen und Kiesgruben sowie künstliche Nistflöße angenommen. Die Brutplätze müssen übersichtlich, störungsarm und sicher vor Prädatoren sein sowie nahrungsreiche Gewässer in der Nähe aufweisen (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982). Flussseeschwalben sind ausgesprochene Langstreckenzieher, die ihre Winterquartiere in den Tropen und südlichen gemäßigten Breiten hauptsächlich entlang von Küsten haben. Die Vögel der deutschen und niederländischen Nordseeküste überwintern an der Westküste Afrikas größtenteils nördlich des Äquators. Einige Exemplare ziehen auch bis an die Küsten Südost- und Südafrikas. Nach einem regional unterschiedlichen Zwischenzug beginnt der Wegzug der mitteleuropäischen Vögel Ende Juli. Die Besetzung der Brutgebiete erfolgt in Südeuropa ab Mitte März bzw. in Skandinavien Anfang Mai (BEZZEL 1985).

Bestandsentwicklung

Die Bestandsentwicklung an den deutschen Küstenbereichen war durch anthropogene Verfolgung Anfang des 20. Jahrhunderts und Mitte der 1940er Jahre sowie durch Schadstoffbelastung in den 1960er Jahren von starken Rückgängen und in den 1930er, 1950er und bis 1980er Jahren von Bestandsspitzen geprägt. Im Binnenland Deutschlands nahmen die Bestände seit dem 19. Jahrhundert ab und erreichten um 1980 mit ca. 750 BP ihren Tiefststand. Seitdem haben vielfältige Schutzbemühungen zum Anstieg des Bestandes geführt. Im Jahr 1992 brüteten in Deutschland insgesamt über 14.700 BP, davon ca. 13.000 an der Küste und über 1.700 im Binnenland. Doch seit Beginn der 1990er Jahre sind, besonders im Küstenbereich, erneut Bestandsabnahmen zu beobachten. Der Bestand reduzierte sich um mehr als ein Drittel auf 8.400-8.650 BP im Jahr 1996. Eine der Ursachen dafür sind wahrscheinlich die reduzierten Fischbestände (BAUER & BERTHOLD 1997, BECKER & SUDMANN 1998, SÜDBECK et al. 1998). Der Brutpaarbestand in Sachsen-Anhalt ist auf sehr niedrigem Niveau und trotz Schwankungen seit 1975 gleich bleibend (BECKER & SUDMANN 1998, DORNBUSCH 1999). Für 1995/96 wer- den ca. 10 BP und für 1997 6 BP angegeben (BECKER & SUDMANN 1998, MÄDLOW & MODEL 2000). So siedelten 1998 22 BP in drei Kolonien und an der Elbe an drei Einzelbrutplätzen. 1999 wurden 33 BP erfasst, im Jahre 2000 etwa 30 BP (DORNBUSCH 2002). Im Jahr 2015 erhöhte sich die Anzahl der Brutpaare auf 85-95.

Gefährdung und Schutz

Lebensraumzerstörung, Verfolgung, Biozidbelastung, Störungen und Nahrungsknappheit führten und führen zu negativen Bestandstrends bei der Flussseeschwalbe. Gewässerausbau, Flussbegradigung und Kiesabbau im Binnenland führten zu Habitatverlusten und haben viele Populationen ausgelöscht. An der Küste wirken sich Überbauung und der Küstenschutz mit Verhinderung der natürlichen Küstendynamik negativ auf die Bestände aus. Früher waren Nachstellungen jeglicher Art die bedeutendste Rückgangsursache in den mitteleuropäischen Küstenbereichen. Heute sind davon vor allem die Durchzugs- und Überwinterungsgebiete betroffen (BAUER & BERTHOLD 1997, BAUER & THIELKE 1982, BECKER & SUDMANN 1998, SÜDBECK et al. 1998). Als Endglied aquatischer Nahrungsketten akkumuliert die Art persistente chlororganische Verbindungen wie z.B. DDT und PCBs und organisch gebundenes Quecksilber in hohem Maße (u.a. BECKER 1991, BECKER & SOMMER 1998), was sich ebenfalls negativ auf die Bestände auswirkt. Ein Anstieg der Bestände sind auf den Schutz und die Bewachung der wichtigsten Brutplätze, auf Verhinderung von Prädation und anthropogenen Störungen, auf das Ausbringen künstlicher Nisthilfen (Inseln, Flöße) und auf die Reduzierung der Schadstoffeinleitung in Flüsse und Meere zurückzuführen. Weitere Schutzmaßnahmen sind die Sicherung der Nahrungsgrundlage (kleinfischreiche Gewässer) und die Verhinderung von weiteren Flussausbaumaßnahmen (BAUER & BERTHOLD 1997, BECKER & SUDMANN 1998, SÜDBECK et al. 1998).

Rote Liste Deutschland:                    2 – Stark gefährdet (6. Fassung, Stand Juni 2021)

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               3 – Gefährdet (3. Fassung, Stand November 2017)

Literatur/Links

Link zur Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei)

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.