Seeadler (Haliaeetus albicilla)
Verbreitung
Der Seeadler ist unregelmäßig über die gesamte nördliche Paläarktis verbreitet und besiedelt mit Grönland auch den östlichsten Bereich der Nearktis. Die paläarktische Verbreitung reicht gegenwärtig von Nordwest-Island, Skandinavien, Schottland (erfolgreiche Wiedereinbürgerung) und Nordost-Deutschland bis zur fernöstlichen Beringstraße, nach Kamtschatka und Japan. Nördlich begrenzt der 70. Breitengrad das Areal in Sibirien. Im Süden zieht sich die Arealgrenze von Kroatien zum Kaspischen Meer und zwischen 30 ° und 40 ° N bis zum Pazifik (HELANDER & MIZERA in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Deutschland wird gegenwärtig geschlossen von der schleswig-holsteinischen Ostseeküste über Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bis zur sächsischen Oberlausitz besiedelt. Die südwestliche Verbreitungsgrenze stimmt derzeit etwa mit dem Verlauf des Elbetals in Sachsen-Anhalt und Sachsen überein. Die Dichtezentren liegen in der mecklenburgischen Seenplatte und in der Oberlausitzer Teichlandschaft (HAUFF 1998, MEYBURG, HAUFF & SCHELLER in KOSTRZEWA & SPEER 2001). In Sachsen-Anhalt konzentrieren sich die besetzten Reviere auf den Elbe-Havel-Winkel und den weiteren Bereich der Mittleren Elbe mit der Dübener Heide. Seit 1999 ist ein BP aus dem Drömling, etwa 50 km vom Elbetal entfernt, bekannt (DORNBUSCH 2002).
Ökologie und Zugstrategie
Die unregelmäßige Verbreitung des Seeadlers resultiert aus seiner Bindung an eutrophe, fisch- und wasservogelreiche Binnen- und Küstengewässer als Nahrungshabitate. Die Adler besiedeln verschiedene Landschaftstypen meist im Tiefland. Die Art brütet in Mitteleuropa auf Bäumen in oder am Rand gewässernaher, ruhiger Altholzbestände, hauptsächlich auf Kiefern, Buchen, Eichen und Pappeln. Auf Island, Grönland und mehrheitlich auch in Norwegen brütet der Seeadler auf Felsklippen an der Küste oder auf vorgelagerten Inseln (BAUER & BERTHOLD 1997, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1989). Die in Nordost-Europa und Nordasien beheimateten Adler sind Zugvögel. In Fennoskandien und im Ostseeraum ziehen meist nur die Jungvögel ab, deren Zugrichtung vom Nahrungsangebot bestimmt wird. In Nordwest- und Mitteleuropa zieht nur ein Teil der Jungvögel (BEZZEL 1985). Die bevorzugten Überwinterungsgebiete in Deutschland sind die Niederungsgebiete der mittleren Elbe und der unteren Oder, die mecklenburgische Seenplatte sowie die Ostseeküste (MEYBURG, HAUFF & SCHELLER in KOSTRZEWA & SPEER 2001).
Bestandsentwicklung
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Seeadler in Westeuropa und Deutschland weit verbreitet. Bereits ab 1850 kam es zu Rückgängen aufgrund massiver Verfolgung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in weiten Teilen des europäischen Areals zu einer Ausrottung der Art führte. Seit den 1930er Jahren führten strenge Schutzmaßnahmen zu einer deutlichen Bestandszunahme, sodass im Jahr 1950 wieder ca. 120 Paare in Deutschland brüteten. Mit dem Beginn der Pestizidära und vor allem durch die Anwendung des Insektizids DDT stagnierte der Bestand bis in die zweite Hälfte der 1970er Jahre. Danach stiegen die Brutpaarzahlen z.T. exponentiell von 119 BP im Jahr 1976 auf 343 BP im Jahr 1999 an. Waren 1980 nur 25 % der Bruten aller deutschen BP erfolgreich, so stieg der Bruterfolg 1997 auf 57 %. Seit 1990 erfolgt neben einer Dichteerhöhung in den Verbreitungsschwerpunkten auch eine Arealerweiterung in nördliche, westliche und südwestliche Richtung (HAUFF 1998, MEYBURG, HAUFF & SCHELLER in KOSTRZEWA & SPEER 2001). Bestandsanstiege sind in fast allen mittel- und nordeuropäischen Populationen festzustellen, nur in Südeuropa stagnieren die geringen Vorkommen weiterhin oder nehmen ab (BAUER & BERTHOLD 1997, HELANDER & MIZERA in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die Bestandszahlen Sachsen-Anhalts reduzierten sich bis 1981 auf nur ein BP. Bis 1991 erhöhten sich die Brutpaarzahlen leicht auf vier bis fünf Paare, um von diesem Zeitpunkt an kontinuierlich auf 17 Paare anzuwachsen (DORNBUSCH 2000b, 2002). Ab 2010 scheint sich der Landesbestand um 35 Paare einzupegeln.
Gefährdung und Schutz
Der Seeadler war und ist hauptsächlich durch menschliche Verfolgung und durch Umweltchemikalien bedroht (HAUFF 1998). Besonders das Insektizid DDT verursacht durch seinen Hauptmetaboliten DDE Eischalenveränderungen, die Eibruch und Störungen des embryonalen Gasaustausches zur Folge haben (OEHME 1987). Weiterhin sei auf andere toxische und ebenfalls persistente Verbindungen wie PCBs und organisch gebundene Schwermetalle (besonders Methylquecksilber als Saatgutbeize) verwiesen (OEHME 1981, HÖLZINGER 1987 u.a.). Gefährdungen gehen auch von der Zerstörung des Lebensraumes durch die Vernichtung von Altholzbeständen und großräumigen Feuchtgebieten aus. Ungesicherte Freileitungen, Störungen durch die Forstwirtschaft und den Freizeitverkehr sowie der Schienen- und Straßenverkehr (Kollisionsgefahr) stellen weitere Gefährdungsursachen dar (BAUER & BERTHOLD 1997, TUCKER & HEATH 1994). Zum Schutz der Adlerart tragen in erster Linie die konsequente Jagdverschonung und die Einrichtung von Horstschutzzonen bei. Alle wichtigen Brut- und Nahrungshabitate sollten unter Schutz gestellt werden. Ein weiteres Bestands- und Schadstoffmonitoring ist zu fordern (BAUER & BERTHOLD 1997, DORNBUSCH 1997, HAUFF 1998, LANGGEMACH & SÖMMER 1996).
Rote Liste Deutschland: Ungefährdet
Rote Liste Sachsen-Anhalt: Ungefährdet
Literatur/Links
Link zur Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.