Weißwangengans (Branta leucopsis)
Verbreitung
Das Brutareal der Weißwangengans gliedert sich in vier voneinander getrennte Gebiete. Die Gänse brüten in den Küstenebenen und Fjorden Ostgrönlands, auf Spitzbergen, in den arktischen Küstengebieten Nordwest-Sibiriens (hauptsächlich auf dem südlichen Teil von Nowaja Semlja und auf Waigatsch) und seit 1975 auf verschiedenen Inseln in der Ostsee (BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM 1990, OWEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997, RUTSCHKE 1987). Kleine Bestände existieren in Nordwest-Island sowie in Großbritannien (dort Gefangenschaftsflüchtlinge). Seit den 1980er Jahren brütet die Gänseart in den Niederlanden und in Deutschland (MÄDLOW & MODEL 2000, OWEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die deutschen Brutvorkommen befinden sich an der Nordseeküste, an Binnenseen Schleswig-Holsteins und im Bereich des Unteren Niederrheins in Nordrhein-Westfalen (MÄDLOW & MODEL 2000, MOOIJ 2000).
Ökologie und Zugstrategie
Das Bruthabitat wird hauptsächlich von kahlen Felsformationen an der Meeresküste gebildet. Die Gänse brüten zum Schutz vor Prädatoren in lockeren Kolonien auf möglichst unzugänglichen Felsen, Klippen oder Vorsprüngen bzw. auf Inseln. Die Brutplätze liegen selten mehr als 1 km von der Küste bzw. dem Fjord- oder nächsten Seeufer entfernt. Zum Äsen werden in der Nähe der Brutfelsen liegende Flussufer, Niederungen und Küstenbereiche mit niedriger Vegetation aufgesucht. In den Überwinterungsgebieten halten sich die Weißwangengänse ebenfalls meist im Küstenbereich auf, hier dienen Salzwiesen, Grünland und Ackersaaten als Nahrungshabitate (BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM 1990, BEZZEL 1985, OWEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die Populationen der vier Brutareale ziehen ab Ende August bis Mitte (Ende) September in ebenfalls separate Winterquartiere (BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM 1990, RUTSCHKE 1987). Die grönländischen Vögel ziehen zum Überwintern über Island an die schottische Westküste und nach Irland. Die Brutvögel Spitzbergens verbringen den Winter im zentralen Bereich der Westküste Großbritanniens (besonders im Solway Firth), den sie über Norwegen erreichen. Die russischen und baltischen Vögel erreichen ihre Winterquartiere, die hauptsächlich an der niederländischen Nordseeküste liegen, über das Weiße Meer und die Ostsee (OWEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Der Rückzug in die Brutgebiete erfolgt auf den gleichen Routen wie der Herbstzug. International bedeutsame Rastplätze der Weißwangengans liegen in Deutschland an der Wattenmeerküste, vorwiegend in den Ästuarien von Elbe und Ems sowie in der Leybucht. Die Art wird zunehmend auch auf binnenländischen Rastplätzen festgestellt (MOOIJ 2000).
Bestandsentwicklung
Während die Bestände der Weißwangengans in Westsibirien und Spitzbergen in den 1930er und 1940er Jahren aufgrund starker Bejagung abnahmen, ist seit 1950 in allen Brutpopulationen eine deutliche Zunahme zu verzeichnen (RUTSCHKE 1987, OWEN in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Dementsprechend stiegen auch die deutschen Überwinterungs- und vor allem die Durchzugszahlen im Frühjahr stark an. So werden seit Ende der 1980er Jahre gleich bleibend im Januar 7.000 bis 35.000 und im März 60.000 bis 120.000 Vögel gezählt (MOOIJ 2000). Der Brutbestand in Deutschland wächst rasch an, für das Jahr 1999 wurden maximal 30 Paare geschätzt (MÄDLOW & MODEL 2000, MOOIJ 2000), 2005-2009 wurden 410-470 BP gezählt. In Sachsen-Anhalt ist die Weißwangengans ein seltener, aber regelmäßiger Gast (DORNBUSCH 1999, GEORGE & WADEWITZ 1999). Die größten Ansammlungen wurden im Jahr 2000 beobachtet, als sich im EU SPA Aland-Elbe-Niederung bis 510 Exemplare aufhielten (PLINZ u.a. in GEORGE & WADEWITZ 2001).
Gefährdung und Schutz
Vor dem zweiten Weltkrieg lag die Hauptgefährdung der Art in der direkten Verfolgung durch Abschuss, Fang mausernder Tiere und Ei-Entnahme. Gegenwärtig fehlen großräumige störungsarme Nahrungshabitate im Küstenbereich und im landwirtschaftlich genutzten Hinterland, da Grünland intensiver genutzt wird, Flächen durch Küstenschutzmaßnahmen entwertet und Gänseschwärme von Ackersaaten vergrämt werden (BAUER & BERTHOLD 1997, RUTSCHKE 1987). Die Jagdverschonung in den Brut- und Überwinterungsgebieten hat sich sehr positiv auf den Bestand ausgewirkt. Wesentlich sind jetzt der Aufbau eines Schutzgebietssystems in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten und Managementmaßnahmen, um Konflikte mit den Landwirten zu entschärfen (BAUER & BERTHOLD 1997).
Rote Liste Deutschland: Ungefährdet
Rote Liste Sachsen-Anhalt: Kein Brutvogel in Sachsen-Anhalt
Literatur/Links
Link zur Literaturliste (PDF, nicht barrierefrei)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.